Der Idiot
deine Frau werden! Hast du gehört?«
»Ja, ich habe es gehört.«
Der Fürst errötete so stark, daß er Lisaweta Prokofjewna nicht gerade in die Augen sehen konnte.
»Nun, dann merke es dir! Ich habe auf dich gewartet wie auf die
Vorsehung (was du übrigens nicht wert warst!); ich habe mein Kissen
nachts mit meinen Tränen benetzt – nicht deinetwegen, lieber Freund;
mach dir keine Sorgen; ich habe meinen eigenen, anderen Kummer, immer
und ewig denselben. Aber der Grund, weshalb ich auf dich mit solcher
Ungeduld gewartet habe, ist der: ich glaube immer noch, daß Gott selbst
dich mir als meinen Freund und Bruder gesandt hat. Ich habe keinen
Menschen als die alte Bjelokonskaja, und auch die ist jetzt ausgeflogen
und ist überdies infolge ihres hohen Alters dumm wie ein Schaf. Jetzt
antworte einfach ja oder nein: weißt du, warum sie neulich die
seltsamen Worte aus dem Wagen gerufen hat?«
»Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich nicht dabei beteiligt war und nichts davon weiß!«
»Genug, ich glaube dir. Jetzt fasse ich die Sache anders auf; aber
noch vorgestern vormittag maß ich Jewgeni Pawlowitsch an allem die
Schuld bei. Den ganzen vorgestrigen Tag und gestern vormittag war ich
dieser Meinung. Jetzt allerdings kann ich nicht umhin, den andern
beizustimmen: es ist offenbar, daß sie sich über ihn wie über einen
Dummkopf lustig gemacht hat, aus irgendeinem Grund, zu irgendeinem
Zwecke in irgendeiner Absicht. (Schon das allein ist verdächtig und
ganz ungehörig!) Aber Aglaja wird er nicht zur Frau bekommen, das sage
ich dir! Er mag ja ein ganz guter Mensch sein; aber es wird doch so
geschehen, wie ich gesagt habe. Früher habe ich noch geschwankt; aber
jetzt habe ich mit aller Bestimmtheit erklärt: ›Legt mich erst in den
Sarg und vergrabt mich in die Erde; dann könnt ihr meine Tochter zur
Frau geben, wem ihr wollt!‹ Das habe ich heute mei nem Mann gegenüber
ausgesprochen. Siehst du wohl, daß ich dir vertraue? Siehst du das
wohl?«
»Ja, ich sehe es und verstehe es.«
Lisaweta Prokofjewna blickte den Fürsten prüfend an: vielleicht
hätte sie gern gewußt, welchen Eindruck die Mitteilung über Jewgeni
Pawlowitsch auf ihn gemacht hatte.
»Von Gawrila Iwolgin weißt du nichts?«
»Das heißt ... ich weiß von ihm vieles.«
»Hast du gewußt, daß er mit Aglaja Beziehungen unterhält?«
»Davon habe ich nicht das geringste gewußt«, erwiderte der Fürst erstaunt; er war sogar zusammengezuckt.
»Wie? Sie sagen, Gawrila Ardalionowitsch unterhalte Beziehungen mit Aglaja Iwanowna? Unmöglich!«
»Erst seit kurzer Zeit. Seine Schwester hat ihm den ganzen Winter
über den Weg gebahnt; wie eine Ratte hat sie gewühlt und genagt.«
»Ich glaube es nicht«, wiederholte der Fürst mit fester Stimme,
nachdem er ein Weilchen in Aufregung nachgedacht hatte. »Wenn das der
Fall wäre, so würde ich es sicher wissen.«
»Na ja, er wäre wohl selbst gekommen, wäre dir an die Brust gesunken
und hätte es dir unter Tränen gestanden! O du Einfalt, du Einfalt! Alle
betrügen sie dich ja wie ... wie ... Schämst du dich denn gar nicht,
ihm zu vertrauen? Siehst du denn nicht, daß er dich beständig hinters
Licht führt?«
»Ich weiß sehr wohl, daß er mich manchmal betrügt«, antwortete der
Fürst nur ungern und halblaut, »und er weiß, daß ich das weiß; aber
...«, fügte er hinzu, sprach jedoch den Satz nicht zu Ende.
»Es zu wissen und doch zu vertrauen! Das ist das Nonplusultra!
Übrigens konnte man das von dir erwarten. Worüber wundere ich mich da
noch? Mein Gott! Hat es je so einen Menschen gegeben? Nein, so etwas!
Und weißt du, daß dieser Ganja oder diese Warja sie mit Nastasja
Filippowna in Verkehr gebracht haben?«
»Wen?« rief der Fürst.
»Aglaja.«
»Das glaube ich nicht! Das ist nicht möglich! Was sollten sie dabei für eine Absicht gehabt haben?«
Er sprang vom Stuhl auf.
»Auch ich glaube es nicht, wiewohl sichere Anzeichen dafür vorhanden
sind. Sie ist ein eigenwilliges Mädchen, ein phantastisches Mädchen,
ein verrücktes Mädchen! Und boshaft ist sie, boshaft! Lebenslänglich
werde ich behaupten, daß sie boshaft ist! Alle meine Töchter haben sich
jetzt in dieser Weise verändert, sogar die mattherzige Alexandra; aber
bei Aglaja ist es rein zum Tollwerden. Aber ich glaube es auch nicht!
Vielleicht deswegen, weil ich es nicht glauben will«, fügte sie wie für
sich hinzu.
»Warum bist du denn nicht zu uns gekommen?« wandte sie sich
plötzlich wieder an den Fürsten.
Weitere Kostenlose Bücher