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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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anwesend
seien.«
    »Ich weiß, daß Sie Ihren Sohn dorthin geschickt hatten; er hat es
mir selbst vorhin gestanden; aber was hat diese ganze Intrige zu
bedeuten?« rief der Fürst ungeduldig.
    »Es ist nicht meine Intrige, nicht meine Intrige«, wehrte Lebedjew
mit lebhaften Gestikulationen ab. »Da stecken andere Leute dahinter,
ganz andere Leute; und es ist auch eher sozusagen ein phantastischer
Einfall als eine Intrige.«
    »Aber um was handelt es sich denn eigentlich? Das erklären Sie mir,
um des Himmels willen! Begreifen Sie denn nicht, daß die Sache mich
direkt angeht? Jewgeni Pawlowitsch wird ja dadurch angeschwärzt.«
    »Fürst! Durchlauchtigster Fürst!« erwiderte Lebedjew, sich wieder
hin und her krümmend. »Sie erlauben mir ja nicht, die ganze Wahrheit zu
sagen; ich habe Ihnen ja schon früher eine wahrheitsgemäße Mitteilung
machen wollen, sogar mehrmals; aber Sie gestatteten mir nicht
fortzufahren ...«
    Der Fürst schwieg ein Weilchen und überlegte.
    »Nun gut; sagen Sie die Wahrheit!« brachte er, offenbar nach schwerem Kampf, mühsam heraus.
    »Aglaja Iwanowna ...«, begann Lebedjew sofort.
    »Schweigen Sie, schweigen Sie!« rief der Fürst grimmig; er war vor
Empörung, vielleicht auch vor Scham, ganz rot geworden. »Das ist
unmöglich; das ist ein Unsinn! Das haben Sie alles selbst ausgedacht
oder Leute, die ebenso verrückt sind wie Sie. Ich will das nie wieder
von Ihnen hören!«
    Spät am Abend, erst nach zehn Uhr, erschien Kolja mit einem ganzen
Sack voll Nachrichten. Seine Nachrichten waren von zwiefacher Art:
Petersburger und Pawlowsker. Er erzählte zunächst rasch das Wichtigste
aus Petersburg (namentlich von Ippolit und der Affäre vom
vorhergehenden Tag), indem er sich vorbehielt, nachher noch einmal
darauf zurückzukommen, und ging dann möglichst schnell zu den
Pawlowsker Ereignissen über. Er war vor drei Stunden aus Petersburg
zurückgekehrt und hatte sich, ohne zu dem Fürsten zu kommen, geradewegs
zu Jepantschins begeben. »Da geht es schrecklich zu!« In erster Linie
stehe natürlich die Geschichte mit der Kutsche; aber gewiß sei dort
noch etwas anderes passiert, das ihm und dem Fürsten unbekannt sei.
»Ich habe selbstverständlich nicht spioniert und wollte niemanden
ausfragen; übrigens nahmen sie mich freundlich auf, so freundlich, wie
ich es gar nicht erwartet hatte; aber Ihrer, Fürst, wurde mit keinem
Wort Erwähnung getan!« Das Wichtigste und Interessanteste sei, daß
Aglaja sich vorhin mit den Ihrigen Ganjas wegen überworfen habe. Wie
das im einzelnen zugegangen sei, wisse er nicht, nur daß der Streit
sich um Ganja gedreht habe (»Stellen Sie sich so etwas vor!«), und daß
sie heftig aneinandergeraten seien; also müsse der Grund ein wichtiger
sein. Der General sei erst spät und in mürrischer Stimmung nach Hause
gekommen, mit Jewgeni Pawlowitsch zusammen, den sie sehr gut
aufgenommen hätten, und Jewgeni Pawlowitsch selbst sei erstaunlich
heiter und liebenswürdig gewesen. Ferner sei eine besonders auffällige
Nachricht, daß Lisaweta Prokofjewna ohne alles Aufsehen Warwara
Ardalionowna, die bei den jungen Mädchen gewesen sei, auf ihr Zimmer
gerufen und ihr ein für allemal das Haus verboten habe, übrigens in der
höflichsten Form – »ich habe es von Warja selbst gehört«. Als Warja
aber aus Lisaweta Prokofjewnas Zimmer wieder herausgekommen sei und
sich von den jungen Mädchen verabschiedet habe, da hätten diese gar
nicht gewußt, daß ihr das Haus für alle Zeit verboten worden sei und
sie ihnen für immer Lebewohl sage.
    »Aber Warwara Ardalionowna war noch um sieben Uhr bei mir! Wie geht das zu?« fragte der Fürst er staunt.
    »Aus dem Haus gewiesen wurde sie zwischen sieben und acht Uhr oder
um acht. Warja tut mir sehr leid, auch Ganja tut mir leid ... Die
beiden intrigieren zweifellos fortwährend; ohne das können sie gar
nicht leben. Ich habe nie dahinterkommen können, was sie eigentlich im
Schilde führen; und ich will es auch gar nicht wissen. Aber ich
versichere Ihnen, mein lieber, guter Fürst, daß Ganja ein gutes Herz
hat. Allerdings haften ihm manche schlechten Eigenschaften an; aber
andrerseits besitzt er viele Charakterzüge, denen nachzuforschen
wirklich der Mühe lohnt, und ich werde es mir nie verzeihen, daß ich
ihn früher nicht verstanden habe ... Ich weiß nicht, ob ich jetzt nach
der Geschichte mit Warja den Verkehr bei Jepantschins fortsetzen soll.
Allerdings habe ich dort gleich von Anfang an eine ganz unabhängige,
rein

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