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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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Rogoschin, wieder lachend, auf die warmen Worte des Fürsten.
    Er stand wirklich etwas von ihm entfernt, da er ein paar Schritte zurückgewichen war, und hielt seine Hände versteckt.
    »Es schickt sich jetzt für mich überhaupt nicht, zu dir zu kommen,
Ljow Nikolajewitsch«, fügte er langsam und bedeutsam zum Schluß hinzu.
    »So sehr haßt du mich also? Wie?«
    »Ich liebe dich nicht, Ljow Nikolajewitsch; also, warum sollte ich
zu dir kommen? Ach, Fürst, du bist ganz wie ein kleines Kind: du
möchtest ein Spielzeug haben; ›gib her, gib her!‹ heißt es; aber du
verstehst von dem Spielzeug gar nichts. Was du jetzt sagst, hast du mir
alles ganz ebenso in deinem Brief geschrieben; meinst du denn, daß ich
dir nicht glaube? Ich glaube jedes Wort, das du sagst, und weiß, daß du
mich nie getäuscht hast und nie täuschen wirst; aber ich liebe dich
trotzdem nicht. Du schreibst mir, du hättest alles vergessen und
erinnertest dich nur an deinen Kreuzbruder Rogoschin, aber nicht an
jenen Rogoschin, der damals das Messer gegen dich gezückt habe. Aber
woher kennst du denn meine Gefühle?« (Rogoschin lächelte wieder.) »Ich
habe das seitdem vielleicht nie bereut, und du hast mir schon deine
brüderliche Verzeihung geschickt. Vielleicht habe ich gleich an jenem
selben Abend schon an etwas ganz anderes gedacht und diese Geschichte
...«
    »Und diese Geschichte vergessen!« fiel der Fürst ein. »Wie könnte es
auch anders sein? Ich möchte wetten, daß du damals geradewegs nach der
Bahn gelaufen und hierher nach Pawlowsk zur Musik gefahren und ihr
gerade wie heute im Menschengewühl nachgegangen bist und sie beobachtet
hast. Das ist mir ganz selbstverständlich! Hättest du dich nicht damals
in einem solchen Zustand befunden, daß du nur an das eine denken
konntest, so würdest du vielleicht gar nicht das Messer gegen mich
erhoben haben. Ich hatte damals schon vom Vormittag an, als ich dich
anblickte, so eine Ahnung; weißt du wohl, wie du da aussahst? In dem
Augenblick, als wir die Kreuze tauschten, da wurde dieser Gedanke wohl
zuerst in mir rege. Warum hast du mich damals zu der alten Frau
geführt? Deine Absicht war doch wohl, deine eigene Hand dadurch
aufzuhalten? Aber du hast das unmöglich klar gedacht, sondern nur
unbestimmt gefühlt, gerade wie ich ... Wir hatten damals beide das
gleiche Gefühl. Und hättest du damals deine Hand nicht gegen mich
aufgehoben (Gott hat sie abgelenkt), wie würde ich dann jetzt vor dir
stehen? Denn ich meinerseits hatte ja doch jenen Verdacht gegen dich;
wir haben dieselbe Sünde begangen, die gleiche Sünde! (Runzle nicht die
Stirn! Nun, und weshalb lachst du?) Du sagst, du hättest es nicht
bereut. Aber wenn du es selbst gewollt hättest, so hättest du es
vielleicht doch nicht bereuen können, weil du mich eben nicht liebtest.
Und wäre ich dir gegenüber auch so unschuldig wie ein Engel, so wirst
du mich trotz dem nicht leiden können, solange du denkst, daß sie nicht
dich, sondern mich liebt. Das liegt im Wesen der Eifersucht. Aber nun
höre einmal zu, Parfen; ich will dir sagen, zu welchem Resultat mich in
dieser Woche mein Nachdenken hat kommen lassen: weißt du wohl, daß sie
dich jetzt vielleicht mehr liebt als irgendeinen andern, und zwar in
der Weise, daß ihre Liebe um so größer ist, je mehr sie dich quält? Sie
wird dir das nicht sagen; aber man muß verstehen, das zu durchschauen.
Warum wird sie dich schließlich doch heiraten? Sie wird es dir später
einmal selbst sagen. Manche Frauen haben es sogar gern, daß man sie so
liebt, und gerade sie hat einen solchen Charakter! Und dein Charakter
und deine Liebe haben sicherlich auf sie einen großen Eindruck gemacht!
Weißt du, daß eine Frau imstande ist, einen Menschen durch ihre
Grausamkeiten und Spöttereien zu martern, ohne dabei die geringsten
Gewissensbisse zu verspüren, weil sie jedesmal, wenn sie den
Betreffenden ansieht, denkt: ›Jetzt quäle ich ihn halbtot; aber nachher
werde ich durch meine Liebe alles wiedergutmachen‹ ...?«
    Rogoschin lachte, als er den Fürsten das sagen hörte.
    »Hör mal, Fürst, du bist wohl selbst an so eine geraten? Ich habe etwas Derartiges über dich gehört, wenn's wahr ist.«
    »Was kannst du gehört haben? Was?« fragte der Fürst, der plötzlich zusammenfuhr und in großer Bestürzung stehenblieb.
    Rogoschin fuhr fort zu lachen. Er hatte mit Interesse und vielleicht
mit Vergnügen dem Fürsten zugehört; der freudige, warme Affekt des
Fürsten imponierte ihm und

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