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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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ermutigte ihn.
    »Und ich habe nicht nur etwas gehört, sondern ich sehe jetzt auch
selbst, daß es wahr ist«, fügte er hinzu. »Wann hättest du denn jemals
so geredet wie jetzt? Deine Reden klingen ja gar nicht, als ob sie von
dir kämen. Hätte ich nicht so etwas über dich gehört, so würde ich
nicht zu dir gekommen sein, noch dazu in den Park, um Mitternacht.«
    »Ich verstehe dich absolut nicht, Parfen Semjonowitsch.«
    »Sie hat mir das schon vor längerer Zeit von dir gesagt, und vorhin
habe ich es mit eigenen Augen gesehen, als du mit der andern bei der
Musik saßest. Sie hat mir geschworen, gestern und heute hat sie mir
geschworen, daß du in Aglaja Jepantschina wie ein Kater verliebt seist.
Mir ist das ganz gleichgültig, Fürst, das geht mich nichts an: wenn du
sie auch nicht mehr liebst, so liebt doch sie dich noch immer. Du weißt
ja, daß sie aus dir und jener andern unter allen Umständen ein Paar
machen will; das hat sie sich nun einmal in den Kopf gesetzt, hehe! Sie
sagt zu mir: ›Sonst heirate ich dich nicht; wenn die beiden zum
Traualtar gehen, dann wollen wir es auch tun.‹ Was das zu bedeuten hat,
habe ich nie begriffen und begreife ich auch jetzt nicht: entweder
liebt sie dich grenzenlos, oder ... Wenn sie dich liebt, wie kann sie
dann wünschen, daß du eine andere heiratest? Sie sagt: ›Ich will ihn
glücklich sehen‹; also liebt sie dich.«
    »Ich habe dir gesagt und geschrieben, daß sie ... nicht ihren
Verstand hat«, sagte der Fürst, der dies mit innerer Qual angehört
hatte.
    »Gott mag's wissen! Vielleicht irrst du dich auch darin ... Übrigens
hat sie heute, als ich sie von der Musik nach Hause brachte, unsern
Hochzeitstag bestimmt: ›In drei Wochen‹, sagt sie, ›vielleicht auch
schon früher, wollen wir uns trauen lassen‹; sie hat es geschworen, hat
das Heiligenbild von der Wand genommen und geküßt. Also hängt die Sache
jetzt von dir ab, Fürst, hehe!«
    »Das ist lauter irres Gerede! Das, was du da von mir sagst, kann nie geschehen! Ich werde morgen zu euch kommen ...«
    »Wie soll sie denn geisteskrank sein?« bemerkte Rogoschin. »Allen
andern scheint sie bei Verstand zu sein, und nur du hältst sie für
gestört. Wie könnte sie denn Briefe dorthin schreiben? Wenn sie
geisteskrank wäre, dann würde es doch auch dort an den Briefen gemerkt
werden.«
    »Was für Briefe?« fragte der Fürst erschrocken.
    »Sie schreibt dorthin, an die andere, und die liest es. Weißt du das
denn nicht? Na, dann wirst du es schon noch erfahren; sie wird dir die
Briefe schon selbst zeigen.«
    »Das ist unglaublich!« rief der Fürst.
    »O weh! Du, Ljow Nikolajewitsch, hast, wie ich sehe, auf diesem
Gebiet noch nicht viel Erfahrung, sondern bist noch ein Anfänger. Warte
nur ein bißchen: du wirst schon deine eigene Polizei unterhalten und
selbst Tag und Nacht auf dem Posten sein und jeden Schritt der
Gegenseite in Erfahrung bringen, wenn du nur erst ...«
    »Laß das und rede nie wieder davon!« rief der Fürst. »Höre, Parfen,
ich bin hier soeben, bevor du kamst, umhergegangen und fing auf einmal
an zu lachen; worüber, weiß ich nicht; aber der äußere Anlaß war, daß
mir einfiel, daß morgen gerade mein Geburtstag ist. Jetzt ist es bald
zwölf Uhr. Komm mit; wir wollen den Tag zusammen begrüßen! Ich habe
Wein zu Hause; den wollen wir trinken, wünsche du mir das, was ich
selbst mir jetzt nicht zu wünschen weiß; ich lege Wert darauf, daß
gerade du es mir wünschst; und ich werde dir wünschen, daß du
vollkommen glücklich werden mögest. Sonst mußt du mir das Kreuz
zurückgeben! Du hast mir das Kreuz da mals doch nicht am nächsten Tag
zurückgeschickt! Du trägst es doch noch? Trägst du es auch in diesem
Augenblick?«
    »Ja, ich trage es«, antwortete Rogoschin.
    »Nun, dann wollen wir gehen! Ich will mein neues Leben nicht ohne
dich antreten; denn es hat allerdings ein neues Leben für mich
begonnen! Weißt du es nicht, Parfen, daß heute für mich ein neues Leben
begonnen hat?«
    »Jetzt sehe ich selbst und weiß selbst, daß das der Fall ist; ich
werde es auch ihr berichten. Du bist ja ganz außer dir, Ljow
Nikolajewitsch!«

IV
    Mit großem Vergnügen bemerkte der Fürst, als er sich seinem Landhaus
mit Rogoschin näherte, daß in seiner hellerleuchteten Veranda eine
zahlreiche, lärmende Gesellschaft versammelt war. Es wurde lustig
gelacht und geredet; anscheinend wurde sogar unter Geschrei debattiert;
man erkannte beim ersten Blick, daß diese Leute die Zeit

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