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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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höchst heiter
zubrachten. Und wirklich sah er, als er zur Veranda hinaufgestiegen
war, daß alle tranken, Champagner tranken, und dies, wie es schien,
schon ziemlich lange getan hatten, so daß viele der Zechenden sich
bereits in einem sehr angenehmen, angeregten Zustand befanden. Die
Gäste waren lauter Bekannte des Fürsten; aber es war merkwürdig, daß
sie sich alle auf einmal wie auf eine Einladung zusammengefunden
hatten, obgleich der Fürst in Wirklichkeit niemanden eingeladen und
sich an seinen Geburtstag selbst soeben nur zufällig erinnert hatte.
    »Du hast gewiß jemandem mitgeteilt, daß du Champagner spendierst,
und da sind sie zusammengelaufen«, murmelte Rogoschin, als er hinter
dem Fürsten her die Veranda betrat. »Das kenne ich; solchen Leuten
braucht man nur zu pfeifen ...«, fügte er ingrimmig hinzu,
offensichtlich in Erinnerung an seine eigene, noch nicht weit
zurückliegende Vergangenheit.
    Alle begrüßten den Fürsten mit Freudenrufen und Glückwünschen und
umringten ihn. Manche machten dabei viel Lärm, andere benahmen sich
ruhiger; aber alle beeilten sich, ihm zu gratulieren, da sie von seinem
Geburtstag gehört hatten, und jeder wartete auf den Augenblick, wo er
an die Reihe kommen würde. Die Anwesenheit mancher Persönlichkeiten, so
zum Beispiel Burdowskis, war dem Fürsten interessant; aber am
erstaunlichsten war es ihm, daß sich auch Jewgeni Pawlowitsch in dieser
Gesellschaft befand; der Fürst traute kaum seinen Augen und bekam
beinah einen Schreck, als er ihn erblickte. Unterdessen kam auch
Lebedjew, mit gerötetem Gesicht und sehr enthusiasmiert, herbeigelaufen
und erklärte den Hergang; er war schon in hohem Grade »fertig«. Aus
seinem Geschwätz war zu entnehmen, daß alle sich in ganz natürlicher
Weise, ja zufällig zusammengefunden hatten. Am frühesten von allen,
noch vor dem Abend, war Ippolit gekommen und hatte, da er sich weit
besser fühlte, den Fürsten in der Veranda zu erwarten gewünscht. Er
hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht; dann war Lebedjew zu ihm
hinzugekommen, hierauf dessen ganze Familie, das heißt General Iwolgin
und die Töchter. Burdowski war mit Ippolit zugleich angekommen, den er
herbegleitet hatte. Ganja und Ptizyn waren erst vor kurzem, als sie
gerade vorübergingen, eingetreten (ihr Erscheinen fiel mit den
Vorgängen am Bahnhof zusammen); darauf war Keller erschienen, hatte von
dem Geburtstag Mitteilung gemacht und Champagner verlangt. Jewgeni
Pawlowitsch hatte sich erst vor einer halben Stunde eingefunden. Auf
das Champagnertrinken und die Veranstaltung eines Festes hatte auch
Kolja mit aller Energie gedrungen. Lebedjew hatte bereitwillig Wein auf
den Tisch gebracht.
    »Aber von meinem eigenen, von meinem eigenen!« beteuerte er dem
Fürsten lallend. »Auf meine eigenen Kosten, um Ihren Geburtstag
festlich zu begehen und Ihnen zu gratulieren; es wird auch etwas zu
essen geben, einen Imbiß; meine Tochter ist schon dabei, das zu
besorgen. Aber wenn Sie wüßten, Fürst, über welches Thema wir gerade
debattieren! Erinnern Sie sich an die Stelle im Hamlet: ›Sein oder
nicht sein‹? Das ist ein zeitgemäßes Thema, ein sehr zeitgemäßes Thema!
Wir werfen Fragen auf und beantworten sie ... Auch Herr Terentjew ist
im höchsten Grade ... er ist gar nicht müde! Von dem Champagner hat er
nur genippt, nur genippt; das kann ihm nicht schaden ... Treten Sie
näher, Fürst, und geben Sie bei unserer Debatte die Entscheidung! Alle
haben wir nur auf Sie gewartet und auf Ihren glücklichen Verstand ...«
    Der Blick des Fürsten begegnete dem lieben, freundlichen Blick Wjera
Lebedjewas, die sich ebenfalls eilig bemühte, durch den Schwarm zu ihm
hindurchzudringen. Mit Übergehung aller andern streckte er ihr zuerst
die Hand hin; sie errötete vor Freude und wünschte ihm, daß er von
diesem Tag an immer glücklich leben möge. Dann lief sie schleunigst in
die Küche, wo sie den Imbiß herrichtete; aber auch vor der Ankunft des
Fürsten war sie mehrmals, sowie sie sich nur für ein Weilchen von ihrer
Arbeit hatte losmachen können, in der Veranda erschienen und hatte bei
den keinen Augenblick verstummenden hitzigen Debatten der angetrunkenen
Gäste über ganz abstrakte und ihr ganz fernliegende Gegenstände eifrig
zugehört. Ihre jüngere Schwester, die immer den Mund offenhielt, war in
dem anstoßenden Zimmer auf einem Schlafkasten eingeschlafen; der Knabe
aber, Lebedjews Sohn, stand neben Kolja und Ippolit, und schon sein
begeisterter Gesichtsausdruck

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