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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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zeigte, daß er bereit war, hier noch
lange in genußreichem Zuhören auf einem Fleck stehenzubleiben, selbst
zehn Stunden hintereinander.
    »Ich habe speziell auf Sie gewartet und freue mich außerordentlich,
daß Sie in so glücklicher Stimmung gekommen sind«, sagte Ippolit, als
der Fürst unmittelbar nach Begrüßung Wjeras zu ihm trat, um ihm die
Hand zu drücken.
    »Aber woher wissen Sie, daß ich mich in glücklicher Stimmung befinde?«
    »Das sieht man Ihnen am Gesicht an. Begrüßen Sie die Herren, und
setzen Sie sich sobald wie möglich hierher zu mir! Ich habe speziell
auf Sie gewartet«, fügte er hinzu, indem er einen bedeutsamen Nachdruck
darauf legte, daß er gewartet habe. Auf die Bemerkung des Fürsten, ob
ihm das lange Aufbleiben auch nicht schädlich sein werde, erwiderte er,
er wundere sich selbst darüber, daß er vor drei Tagen habe sterben
wollen; er habe sich nie wohler gefühlt als an diesem Abend.
    Burdowski sprang auf und murmelte, er sei nur so zufällig ... er
habe Ippolit herbegleitet und freue sich ebenfalls; in dem Brief habe
er allerlei Unsinn geschrieben, aber jetzt freue er sich einfach ... Er
sprach nicht zu Ende, drückte dem Fürsten kräftig die Hand und setzte
sich wieder auf seinen Stuhl.
    Nach Begrüßung aller andern trat der Fürst auch zu Jewgeni Pawlowitsch. Dieser faßte ihn sogleich unter den Arm.
    »Ich möchte Ihnen nur ein paar Worte sagen«, flüsterte er ihm zu,
»und zwar in einer überaus wichtigen Angelegenheit. Lassen Sie uns
einen Augenblick beiseite treten.«
    »Nur ein paar Worte!« flüsterte eine andere Stimme dem Fürsten in
das andere Ohr, und eine andere Hand faßte ihn von der anderen Seite
unter den Arm.
    Der Fürst erblickte mit Erstaunen eine Gestalt mit gerötetem,
blinzelndem, lachendem Gesicht und wirrem Haar und erkannte im gleichen
Augenblick Ferdyschtschenko, der sich Gott weiß woher hier wieder
eingefunden hatte.
    »Erinnern Sie sich noch an Ferdyschtschenko?« fragte dieser.
    »Wo kommen Sie denn her?« rief der Fürst.
    »Er bereut!« rief der herbeilaufende Keller. »Er hatte sich
versteckt und wollte nicht zu uns herauskommen; er hatte sich da hinten
in einem Winkel versteckt; er bereut, Fürst; er fühlt sich schuldig.«
    »Schuldig? Wieso?«
    »Ich habe ihn getroffen, Fürst; ich habe ihn vorhin eben getroffen
und mit hergebracht; er ist einer meiner besten Freunde; aber er
bereut.«
    »Ich freue mich sehr, meine Herren; gehen Sie nur, und setzen Sie
sich dort zu den andern; ich komme auch gleich«, sagte der Fürst, indem
er sich endlich losmachte und zu Jewgeni Pawlowitsch eilte.
    »Es ist ja hier bei Ihnen sehr amüsant«, bemerkte dieser, »und ich
habe mit Vergnügen eine halbe Stunde lang auf Sie gewartet. Was ich
sagen wollte, liebster Ljow Nikolajewitsch: ich habe alles mit
Kurmyschew geordnet und kam her, um Sie zu beruhigen; Sie brauchen sich
nicht darüber aufzuregen; er hat die Sache sehr, sehr vernünftig
aufgefaßt, was auch um so näher lag, da er meiner Ansicht nach selbst
die meiste Schuld hatte.«
    »Mit was für einem Kurmyschew?«
    »Nun, mit dem, den Sie vorhin an den Armen gepackt haben ... Er war
so wütend, daß er schon beabsichtigte, morgen zu Ihnen zu schicken und
Genugtuung zu fordern.«
    »Ich bitte Sie, was für ein Unsinn!«
    »Natürlich ist es ein Unsinn; und die Sache wäre auch sicher harmlos
erledigt worden; aber diese Leute sind bei uns in Rußland ...«
    »Sie sind vielleicht auch noch zu einem andern Zweck hergekommen, Jewgeni Pawlowitsch?«
    »Oh, natürlich noch zu einem andern Zweck!« versetzte dieser
lachend. »Lieber Fürst, ich fahre morgen bei Tagesanbruch in dieser
unglücklichen Angelegenheit (nun ja, ich meine in der Sache mit meinem
Onkel) nach Petersburg. Denken Sie sich nur: es ist alles wahr, und
alle Leute wissen davon mehr als ich. Mich hat die Sache so ergriffen,
daß ich heute nicht mehr dazu gekommen bin, dorthin« (zu Jepantschins)
»zu gehen, und morgen werde ich es ebenfalls nicht können, weil ich in
Petersburg sein werde; Sie verstehen? Vielleicht werde ich ungefähr
drei Tage von hier abwesend sein – kurz gesagt, meine Sachen stehen
übel. Obwohl es eine Sache von allergrößter Wichtigkeit ist, habe ich
es doch für das Richtige gehalten, mich Ihnen gegenüber in der
offenherzigsten Weise und ohne Zeitverlust, das heißt noch vor meiner
Abreise, auszusprechen. Ich werde jetzt, wenn es Ihnen recht ist, noch
ein Weilchen hier sitzenbleiben und warten, bis die

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