Der Idiot
hatte sie damit nicht
einmal alles, was sie dachte, ausgesprochen. Aber während die neue
Nastasja Filippowna höhnisch lachte und ihm all dies auseinandersetzte,
überdachte Afanasi Iwanowitsch diese Angelegenheit für sich und brachte
nach Möglichkeit seine etwas durcheinander geworfenen Gedanken wieder
in Ordnung. Diese Erwägungen dauerten ziemlich lange; er brauchte zu
seinen Überlegungen und zum Fassen eines endgültigen Beschlusses fast
zwei Wochen; aber als diese Zeit um war, hatte er sich auch
entschieden. Afanasi Iwanowitsch war damals schon ungefähr fünfzig
Jahre alt und ein höchst solider, gesetzter Mann. Seine Stellung in der
Welt und in der Gesellschaft war schon seit langer Zeit auf die
festesten Fundamente gegründet. Sich selbst sowie seine Ruhe und
Bequemlichkeit liebte und schätzte er über alles in der Welt, wie sich
das auch für einen im höchsten Grade anständigen Menschen schickt.
Diesen Zustand, der sich durch sein ganzes bisheriges Leben
konsolidiert und eine so schöne Form angenommen hatte, war er nicht
gewillt, auch nur im geringsten stören oder ins Schwanken bringen zu
lassen. Andererseits ließen ihn seine Erfahrung und sein Scharfblick
für die Dinge dieser Welt sehr bald und mit völliger Klarheit erkennen,
daß er es jetzt mit einem ganz ungewöhnlichen Wesen zu tun habe, daß
dies eine Persönlichkeit sei, die nicht nur drohe, sondern auch
unfehlbar handle und namentlich vor keinem Hindernis haltmache, um so
weniger, da ihr nichts in der Welt teuer sei, so daß man sie auch durch
Geschenke nicht bestechen könne. Hier lag augenscheinlich etwas anderes
vor: man spürte eine Art von seelischem Ekel, eine Art von romanhafter
Entrüstung über Gott weiß wen und was, eine Art von unersättlichem,
alles Maß überschreitendem Gefühl der Verachtung, kurz etwas, was in
anständiger Gesellschaft als im höchsten Grad lächerlich und unerlaubt
gilt und womit zu tun zu haben für jeden anständigen Menschen geradezu
eine Strafe Gottes ist. Selbstverständlich hätte Tozki bei seinem
Reichtum und bei seinen Verbindungen ohne weiteres irgendeine kleine,
ganz harmlose Freveltat begehen können, um sich diese Unannehmlichkeit
vom Hals zu schaffen. Andererseits war auch Nastasja Filippowna
sicherlich kaum imstande, ihm etwas Schlimmes, etwa auf gerichtlichem
Weg, zuzufügen; sie konnte nicht einmal einen besonderen Skandal
hervorrufen, weil man sie immer mit größter Leichtigkeit in Schranken
halten konnte. Aber all das war nur für den Fall richtig, daß Nastasja
Filippowna sich dafür entschied, so zu handeln, wie es alle anderen
Frauen in ähnlichen Fällen tun, und nicht in ihrer Exzentrizität alles
Maß überschritt. Aber hier kam dem klugen Tozki seine Menschenkenntnis
zustatten: Er merkte, daß Nastasja Filippowna selbst sehr wohl einsah,
wie wenig sie ihm durch die Gerichte schaden konnte, und daß sie ganz
andere Gedanken in ihrem Kopf umherwälzte; das verrieten ihm ihre
funkelnden Augen. Da ihr nichts wertvoll war und am wenigsten ihre
eigene Person (es bedurfte eines sehr klaren, eindringenden Verstandes,
um in diesem Augenblick zu erkennen, daß sie schon längst aufgehört
hatte, ihrer eigenen Person irgendwelchen Wert beizulegen, und um als
Skeptiker und zynisch denkender Weltmann doch an die Ernsthaftigkeit
dieses Gefühles zu glauben), so war Nastasja Filippowna imstande, sich
selbst in häßlicher Art, etwa durch Sibirien und Zuchthaus,
unwiederbringlich zugrunde zu richten, nur um den Menschen zu
beschimpfen, gegen den sie einen so unmenschlichen Haß nährte. Afanasi
Iwanowitsch hatte nie ein Hehl daraus gemacht, daß er ein wenig feige
oder, besser ausgedrückt, im höchsten Grad auf Bewahrung des Dekors
bedacht war. Hätte er zum Beispiel gewußt, daß man ihn auf seiner
Hochzeit ermorden werde oder sich dabei sonst etwas sehr Unpassendes,
Lächerliches und in der Gesellschaft nicht Übliches begeben werde, so
hätte er gewiß einen großen Schreck bekommen, aber nicht sowohl eben
darüber, daß man ihn ermorden, ihn schwer verwunden oder ihm vor aller
Augen ins Gesicht speien werde usw., als vielmehr darüber, daß ihm dies unter
Verletzung alles Brauches und Anstandes widerfahren werde. Und gerade
so etwas war von Nastasja Filippowna zu erwarten, wiewohl sie noch
darüber schwieg; aber er wußte, daß sie ihn durch und durch kannte und
folglich wußte, wie sie ihn am empfindlichsten treffen könne. Und da
die Heirat in der Tat bisher nur in Aussicht genommen war,
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