Der Idiot
zu ihm herangekommen sei und
gesagt habe, er gehe weg, um den Rest der Nacht bei seinem Freund
zuzubringen ... ich habe den Namen vergessen.«
»Wilkin heißt er. Also Nikolai Ardalionowitsch hat Ihnen das bereits gesagt?«
»Von dem Diebstahl hat er mir nichts gesagt.«
»Davon weiß er auch noch nichts; denn ich habe die Sache bis jetzt
geheimgehalten. Also er ist zu Wilkin gegangen; man könnte nun meinen:
was ist denn Wunderbares dabei, daß ein Trunkenbold zu einem
ebensolchen Trunkenbold, wie er, geht, wenn es auch am frühen Morgen
und ohne allen Anlaß geschieht? Aber hier kann man doch eine Spur
entdecken: er hat beim Weggehen seine Adresse zurückgelassen ... Achten
Sie jetzt wohl auf die Frage, die dabei entsteht, Fürst: warum hat er
seine Adresse zurückgelassen ...? Warum geht er zu Nikolai
Ardalionowitsch, wozu er einen Umweg machen muß, und teilt ihm mit:
›Ich gehe, um den Rest der Nacht bei Wilkin zuzubringen‹? Wer kann sich
denn dafür interessieren, daß er weggeht, und daß er gerade zu Wilkin
geht? Was hat es für Zweck, das hier mitzuteilen? Nein, das ist eine
Schlauheit, die Schlauheit eines Diebes! Das bedeutet: ›Seht ihr wohl?
Ich verberge meine Spuren absichtlich nicht; wie kann ich denn dann ein
Dieb sein? Würde etwa ein Dieb Mitteilung davon machen, wohin er geht?‹
Er sucht da mit besonderer Sorgfalt den Verdacht von sich abzulenken
und sozusagen seine Spuren im Sand zu verwischen ... Haben Sie mich
auch verstanden, hochgeehrter Fürst?«
»Verstanden habe ich Sie; sehr gut habe ich Sie verstanden; aber das reicht doch noch nicht aus.«
»Zweiter Beweis: die Spur erweist sich als gefälscht, und die
angegebene Adresse stimmt nicht. Eine Stunde darauf, das heißt um acht
Uhr, klopfte ich schon bei Wilkin; er wohnt da in der Pjataja-Straße,
und ich bin sogar mit ihm bekannt. Aber da war kein Ferdyschtschenko
vorhanden. Zwar erfuhr ich von dem sehr schwerhörigen Dienstmädchen,
daß vor einer Stunde tatsächlich jemand geläutet habe, und zwar so
stark, daß der Klingelzug abgerissen sei. Aber das Mädchen hatte nicht
geöffnet, da sie Herrn Wilkin nicht hatte wecken mögen und vielleicht
auch selbst keine Lust gehabt hatte aufzustehen. Das kommt schon vor.«
»Und das sind all Ihre Beweise? Das ist wenig.«
»Aber, Fürst, bedenken Sie: wen könnte man denn sonst noch im
Verdacht haben?« erwiderte Lebedjew in gerührtem Ton; aber aus seinem
Lächeln schaute eine gewisse Listigkeit heraus.
»Sie sollten noch einmal in allen Zimmern und Schubfächern
nachsehen!« sagte der Fürst nach einigem Nachdenken mit sorgenvoller
Miene.
»Das habe ich ja getan!« versetzte Lebedjew mit noch größerer Rührung und seufzte dabei.
»Hm ...! Warum mußten Sie auch den Zivilrock mit der Uniform vertauschen?!« rief der Fürst und schlug ärgerlich auf den Tisch.
»Das ist eine Frage aus einem alten Lustspiel. Aber, großmütigster
Fürst, Sie nehmen sich mein Unglück zu sehr zu Herzen! Ich bin so
vieler Teilnahme gar nicht wert. Das heißt, ich allein würde nicht wert
sein, daß Sie sich so beunruhigen; aber Sie leiden ja auch um des
Verbrechers willen ... um dieses unbedeutenden Herrn Ferdyschtschenko
willen!«
»Nun ja, ja, Sie haben mich wirklich in Unruhe versetzt«, unterbrach
ihn der Fürst zerstreut und mißvergnügt. »Also was beabsichtigen Sie
denn nun eigentlich zu tun ... wenn Sie so fest davon überzeugt sind,
daß es Ferdyschtschenko gewesen ist?«
»Fürst, hochgeehrter Fürst, wer könnte es denn sonst gewesen sein?«
erwiderte Lebedjew, mit immer wachsender Rührung sich hin und her
windend. »Das Fehlen eines andern, an den man denken könnte, und
sozusagen die absolute Unmöglichkeit, auf jemand außer Herrn
Ferdyschtschenko Verdacht zu haben, das ist ja sozusagen noch ein
Beweis gegen Herrn Ferdyschtschenko, schon der dritte Beweis! Denn ich
frage noch einmal: wer könnte es sonst gewesen sein? Ich kann doch
nicht Herrn Burdowski verdächtigen, hehehe!«
»Was für ein Unsinn!«
»Oder schließlich den General, hehehe?«
»Was für dummes Zeug!« rief der Fürst, beinah zornig, und drehte sich ungeduldig auf seinem Platz hin und her.
»Natürlich ist das dummes Zeug! Hehehe! Dieser Mensch, ich wollte
sagen der General, hat mich ordentlich zum Lachen gebracht! Ich ging
mit ihm vorhin auf der warmen Fährte zu Wilkin ... ich muß Ihnen noch
bemerken, daß der General noch mehr, wie ich selbst, bestürzt war, als
ich nach Entdeckung des Verlusts zuallererst
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