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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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einem Zivilrock vertauschte,
steckte ich das Geld in den Zivilrock, da ich es am Leib behalten
wollte, weil ich darauf rechnete, daß ich es noch am selben Abend einer
an mich gerichteten Bitte zufolge würde auszuzahlen haben ... Ich
erwartete einen Vermittler.«
    »Apropos, Lukjan Timofejewitsch, ist das wahr, daß Sie in den
Zeitungen annoncieren, Sie gäben Geld gegen Verpfändung von Gold- und
Silbersachen?«
    »Durch einen Vermittler; mein eigener Name wird dabei nicht genannt,
auch meine Adresse nicht angegeben ... Da ich nur ein geringfügiges
Kapital besitze und auf das Heranwachsen meiner Familie Rücksicht
nehmen muß, so werden Sie selbst zugeben müssen, daß ein ehrlicher
Prozentsatz ...«
    »Nun ja, nun ja; ich wollte mich ja auch nur danach erkundigen; entschuldigen Sie die Unterbrechung.«
    »Der Vermittler erschien nicht. Unterdessen wurde dieser
Unglückliche hergebracht; ich befand mich schon nach dem Mittagessen in
animierter Stimmung; nun kamen diese Gäste; wir tranken ... Tee, und
... ich heiterte mich zu meinem Verderben an. Dann (es war schon spät
geworden) kam dieser Keller und brachte die Nachricht von Ihrem
Geburtstag und von Ihrer Anordnung in betreff des Champagners; da ich
nun, teurer und hochgeehrter Fürst, ein Herz besitze (was Sie gewiß
schon bemerkt haben; denn ich verdiene es), da ich ein Herz besitze,
ich will nicht sagen ein empfindsames, aber ein dankbares, worauf ich
stolz bin, so kam ich zu mehrerer Feierlichkeit des verbreiteten
Zusammenseins und in der Erwartung, daß ich Ihnen meine Glückwünsche
würde persönlich aussprechen dürfen, auf den Einfall, meinen alten
Hausrock wieder mit der Uniform zu vertauschen, die ich bei meiner
Heimkehr abgelegt hatte; dies tat ich denn auch, wie Sie, Fürst,
wahrscheinlich bemerkt haben, da Sie mich den ganzen Abend über in
Uniform gesehen haben. Bei diesem Kleiderwechsel vergaß ich in dem
Zivilrock die Brieftasche ... Es ist eine alte Wahrheit: wen Gott
bestrafen will, dem nimmt er zuerst den Verstand. Und erst heute, als
ich aufwachte (es war schon halb acht), sprang ich wie halbverrückt auf
und griff vor allen Dingen nach dem Zivilrock: die Tasche war leer! Die
Brieftasche war spurlos verschwunden!«
    »Oh, das ist unangenehm!«
    »Ja, es ist wirklich unangenehm; und Sie haben mit richtigem
Taktgefühl sofort den zutreffenden Ausdruck gefunden«, bemerkte
Lebedjew nicht ohne eine gewisse Tücke.
    »Gewiß ist es unangenehm, aber ...«, sagte der Fürst, der ein wenig
nachgedacht hatte und nun in Aufregung geriet, »die Sache hat doch ihre
ernste Seite.«
    »Ja, sie hat wirklich ihre ernste Seite; da haben Sie wieder einen sehr passenden Ausdruck gefunden, Fürst, zur Bezeichnung ...«
    »Ach, hören Sie doch auf, Lukjan Timofejewitsch; was ist denn da zu
finden? Die Ausdrücke sind hierbei nicht von Wichtigkeit ... Halten Sie
für möglich, daß Sie die Brieftasche im Zustand der Trunkenheit aus der
Tasche verloren haben?«
    »Möglich ist es; im Zustand der Trunkenheit, wie Sie sich mit aller
Offenheit ausgedrückt haben, ist alles möglich, hochgeehrter Fürst!
Aber ich bitte Sie, Folgendes zu erwägen: wenn ich die Brieftasche beim
Rockwechsel hätte aus der Tasche fallen lassen, so müßte der
herausgefallene Gegenstand dort auf dem Fußboden liegen. Wo ist aber
dieser Gegenstand?«
    »Haben Sie die Brieftasche nicht vielleicht in die Kommode oder in einen Tischkasten gelegt?«
    »Ich habe alles durchsucht, alles durchwühlt, obgleich ich mich
genau erinnere, sie nirgends verwahrt und kein Schubfach geöffnet zu
haben.«
    »Haben Sie im Schränkchen nachgesehen?«
    »Gleich zuerst, und sogar mehrere Male ... Aber wie hätte ich auch
dazu kommen sollen, sie in das Schränkchen zu legen, aufrichtig
verehrter Fürst?«
    »Ich muß bekennen, Lebedjew, daß mich die Sache aufregt. Also muß es jemand auf dem Fußboden gefunden haben?«
    »Oder aus der Tasche entwendet! Das sind zwei Möglichkeiten.«
    »Die Sache regt mich sehr auf; denn wer könnte eigentlich ... Das ist die Frage!«
    »Ohne allen Zweifel ist das die Hauptfrage! Sie finden mit
bewundernswerter Sicherheit die richtigen Gedanken und Ausdrücke und
präzisieren die Situation vortrefflich, durchlauchtigster Fürst.«
    »Ach, Lukjan Timofejewitsch, lassen Sie doch die Spöttereien; hier ...«
    »Spöttereien!« rief Lebedjew und schlug die Hände zusammen.
    »Nun, nun, schon gut, ich bin nicht weiter böse; aber hier handelt
es sich um etwas ganz anderes ... Ich

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