Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Vom Netzwerk:
Nastasja Filippownas Kenntnis gelangt war; sie selbst
redete mit ihm nicht darüber, obgleich er es täglich erwartete. Es
ließe sich übrigens noch vieles von all den unangenehmen Geschichten
erzählen, die anläßlich dieser Brautwerbung und der darauf bezüglichen
Verhandlungen vorkamen; aber wir haben auch so schon vorgegriffen, auch
erschien manches davon erst in Form sehr unbestimmter Gerüchte. So
hatte zum Beispiel Tozki irgendwoher erfahren, daß Nastasja Filippowna
in irgendwelche nicht näher bekannten, geheimen Beziehungen zu den
Jepantschinschen jungen Damen getreten sei – ein ganz unglaubwürdiges
Gerücht. Dagegen schenkte er einem anderen Gerücht unwillkürlich
Glauben und wurde dadurch in große Beängstigung versetzt: er hörte als
sicher, Nastasja Filippowna wisse ganz genau, daß Ganja sie nur des
Geldes wegen heiraten wolle; daß Ganja ein schwarzes, habgieriges,
unverträgliches, neidisches und grenzenlos egoistisches Herz habe; daß
Ganja zwar wirklich früher leidenschaftlich danach gestrebt habe, sie
zu erobern, daß er aber, seitdem die beiden Freunde beschlossen hätten,
diese nunmehr von beiden Seiten beginnende Leidenschaft zu ihrem
Vorteil auszubeuten und ihn dadurch zu erkaufen, daß sie ihm Nastasja
Filippowna als rechtmäßige Gattin verkauften, die bisher Geliebte nun
grimmig hasse; daß in seinem Herzen Leidenschaft und Haß jetzt in
sonderbarer Weise vereinigt seien und er zwar schließlich nach
qualvollem Hin-und Herschwanken eingewilligt habe, »das liederliche
Frauenzimmer« zu heiraten, aber sich selbst im stillen geschworen habe,
sich später dafür bitter an ihr zu rächen und sie schwer dafür »büßen
zu lassen«, wie er sich selbst ausgedrückt habe. Alles dies wisse
Nastasja Filippowna und bereite im geheimen irgend etwas vor. Tozki war
dermaßen verängstigt, daß er nicht einmal dem General Jepantschin etwas
von seinen Befürchtungen mitteilte; aber es kamen auch Augenblicke vor,
in denen er, wie das schwachherzige Menschen zu tun pflegen, den Kopf
wieder aufrichtete und schnell neuen Mut faßte; so ermutigte es ihn zum
Beispiel außerordentlich, als Nastasja Filippowna endlich den beiden
Freunden das Versprechen gab, sie werde am Abend ihres Geburtstages das
entscheidende Wort sprechen.
    Aber dagegen erwies sich ein ganz seltsames und ganz unglaubliches
Gerücht, das den achtenswerten Iwan Fjodorowitsch selbst betraf, leider
mehr und mehr als richtig. Auf den ersten Blick erschien dabei alles
als der bare Unsinn. Es war schwer zu glauben, daß Iwan Fjodorowitsch
bei seinem würdigen, hohen Lebensalter, bei seinem vortrefflichen
Verstand und seiner praktischen Lebenskenntnis usw., usw. sich in
Nastasja Filippowna verliebt haben sollte, und zwar gleich dermaßen,
daß diese wunderliche Verwirrung fast einer Leidenschaft ähnelte.
Worauf er dabei seine Hoffnungen gründete, das war schwer auszudenken;
vielleicht sogar auf Ganjas eigenen Beistand. Tozki vermutete
wenigstens etwas Derartiges; er vermutete, daß eine beinahe ohne Worte
abgeschlossene, auf gegenseitigem Verständnis beruhende Verabredung
zwischen dem General und Ganja bestehe. Übrigens ist bekannt, daß ein
Mensch, der in den Bann einer Leidenschaft gerät, namentlich wenn er
schon bei Jahren ist, vollständig blind wird und sich Hoffnungen macht,
wo für ihn nicht die geringste Aussicht ist, ja, alles gesunde Urteil
verliert und, obwohl sonst ein Ausbund von Klugheit, nun wie ein
törichtes Kind handelt. Man wußte, daß der General vorhatte, Nastasja
Filippowna zu ihrem Geburtstag einen wundervollen Perlenschmuck zu
schenken, der enorm viel Geld kostete, und sich von diesem Geschenk
viel versprach, obgleich er Nastasja Filippownas Uneigennützigkeit
kannte. Am Abend vor ihrem Geburtstag war er wie in einem Fieber,
wiewohl er sich geschickt beherrschte. Von ebendiesem Perlenschmuck
hatte auch die Generalin Jepantschina gehört. Allerdings hatte Lisaweta
Prokofjewna schon seit längerer Zeit Proben von der Flatterhaftigkeit
ihres Gatten gehabt und sich sogar zum Teil daran gewöhnt; aber eine
solche Gelegenheit durfte sie doch nicht unbenutzt vorübergehen lassen:
das Gerücht von dem Perlenkauf regte sie außerordentlich auf. Der
General merkte das zum Glück noch rechtzeitig, indem die Generalin
schon am Abend vor dem Geburtstag ein paar Anspielungen darauf machte;
er ahnte, daß die eigentliche Auseinandersetzung ihm noch bevorstand,
und fürchtete sich davor. Dies war der Grund, weshalb er an dem

Weitere Kostenlose Bücher