Der Idiot
Geld wiedergefunden, schon
längst.«
»Sie haben es wiedergefunden! Ach, Gott sei Dank!«
»Dieser Ausruf zeugt von Ihrer überaus edlen Denkungsart; denn
vierhundert Rubel sind keine Kleinigkeit für einen armen Menschen, der
von seiner schweren Arbeit leben muß und eine zahlreiche Familie von
mutterlosen Kindern hat ...«
»Das meine ich ja nicht! Gewiß, ich freue mich auch darüber, daß Sie
das Geld wiedergefunden haben«, verbesserte sich der Fürst eilig; »aber
... wie ist es denn zugegangen, daß Sie es wiedergefunden haben?«
»Ganz einfach; ich fand es unter dem Stuhl, auf dem der Rock
gehangen hatte, so daß die Brieftasche offenbar aus der Tasche
geglitten und auf den Fußboden gefallen war.«
»Unter dem Stuhl? Das ist doch nicht möglich; Sie haben mir ja
selbst gesagt, Sie hätten in allen Ecken und Winkeln nachgesucht; wie
sollten Sie denn gerade diese wichtigste Stelle nicht beachtet haben?«
»Das ist es ja eben, daß ich da gesucht habe! Daß ich das getan
habe, darauf besinne ich mich ganz genau! In kauernder Stellung bin ich
herumgekrochen, habe den Stuhl weggerückt und an dieser Stelle mit den
Händen umhergetastet, da ich meinen eigenen Augen nicht traute: ich
sah, daß nichts da war, daß der Fleck leer und glatt war, wie meine
Handfläche da; aber dennoch fuhr ich fort umherzutasten. Solch ein
törichtes Zweifeln an seinen eigenen Sinnen wiederholt sich immer beim
Menschen, wenn er bei wichtigen, traurigen Verlusten den dringenden
Wunsch hat, das Verlorene wiederzufinden: er sieht, daß nichts da und
der Fleck leer ist, sieht aber doch fünfzehnmal nach ihm hin.«
»Ja, allerdings; aber wie hängt denn die Sache hier zusammen ...?
Ich verstehe es gar nicht«, murmelte der Fürst ganz verwirrt. »Sie
sagen, es sei zuerst nicht dagewesen und Sie hätten an dieser Stelle
gesucht, aber dann sei es plötzlich doch dagewesen!«
»Ja, dann war es plötzlich doch da.«
Der Fürst sah Lebedjew mit einem sonderbaren Blick an.
»Und der General?« fragte er dann plötzlich.
»Wieso? Was ist mit dem General?« erwiderte Lebedjew, der wieder nicht verstand.
»Ach, mein Gott! Ich frage, was der General dazu sagte, als Sie die
Brieftasche unter dem Stuhl wiedergefunden hatten. Sie hatten ja doch
zuerst beide zusammen danach gesucht.«
»Ja, wir hatten zuerst zusammen danach gesucht. Aber ich muß
bekennen, diesmal schwieg ich still und zog es vor, ihm keine
Mitteilung davon zu machen, daß ich die Brieftasche bereits allein
wiedergefunden hatte.«
»Aber ... warum denn das? War denn das Geld vollzählig darin?«
»Ich habe die Brieftasche geöffnet; das Geld war vollzählig darin; nicht ein einziger Rubel fehlte.«
»Aber Sie hätten doch wenigstens zu mir kommen sollen und es mir sagen«, bemerkte der Fürst nachdenklich.
»Ich fürchtete, Sie in Ihren persönlichen und vielleicht sozusagen
ganz außerordentlichen Empfindungen zu stören, Fürst; zudem stellte ich
mich über haupt so, als ob ich nichts gefunden hätte. Ich machte die
Brieftasche auf, revidierte den Inhalt, machte sie dann wieder zu und
legte sie wieder unter den Stuhl.«
»Wozu denn das?«
»Eine besondere Absicht hatte ich nicht dabei; ich war nur
neugierig, was nun weiter geschehen werde«, erwiderte Lebedjew kichernd
und sich die Hände reibend.
»Also liegt sie auch jetzt noch seit vorgestern da?«
»O nein; sie hat nur vierundzwanzig Stunden lang dagelegen. Sehen
Sie, ich wünschte, daß auch der General sie finden möchte. Denn wenn
ich sie schließlich gefunden hatte, warum sollte nicht auch der General
einen Gegenstand bemerken, der unter dem Stuhl hervorsah und einem
sozusagen in die Augen sprang? Ich hob diesen Stuhl zu wiederholten
Malen auf und stellte ihn anders hin, so daß die Brieftasche nun ganz
frei sichtbar dalag; aber der General bemerkte sie absolut nicht, und
so dauerte das einen ganzen Tag lang. Er ist jetzt offenbar sehr
zerstreut; man kann gar nicht aus ihm klug werden: er redet, erzählt,
lacht; aber auf einmal wird er dann auf mich furchtbar böse, ich weiß
nicht weshalb. Als wir schließlich einmal aus dem Zimmer gingen, ließ
ich die Tür absichtlich offenstehen; er schwankte ein Weilchen, als ob
er etwas sagen wollte; wahrscheinlich war er um die Brieftasche mit dem
vielen Geld besorgt; aber auf einmal wurde er furchtbar zornig und
sagte nichts. Wir waren auf der Straße noch nicht zwei Schritte
gegangen, als er mich im Stich ließ und nach der anderen Seite
hinüberging. Erst am
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