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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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rief Lebedjew pathetisch
und legte die Hand aufs Herz. »Im Gegenteil, ich habe sofort
eingesehen, daß ich weder durch meine Stellung in der Welt, noch durch
Eigenschaften des Geistes und Herzens, noch durch angesammelte
Reichtümer, noch durch mein früheres Benehmen, noch durch Kenntnisse,
durch nichts Ihr geschätztes und meine Hoffnungen weit übersteigendes
Vertrauen verdiene, und daß, wenn ich Ihnen überhaupt dienen kann, ich
das nur als Sklave und Mietling vermag, nicht anders ... Ich bin nicht
böse, aber traurig.«
    »Aber ich bitte Sie, Lukjan Timofejewitsch!«
    »Es ist nicht anders! So auch jetzt, so auch im vorliegenden Fall!
Als ich jetzt zu Ihnen kam und Sie mit meinem Herzen und mit meinen
Gedanken anschaute, da sagte ich zu mir: ›Freundschaftlicher
Mitteilungen bin ich unwürdig; aber vielleicht kann ich in meiner
Eigenschaft als Hauswirt zu gehöriger Zeit, zu dem erwarteten Termin,
sozusagen eine Instruktion erhalten oder, wenn's hoch kommt, eine
Benachrichtigung im Hinblick auf gewisse bevorstehende und erwartete
Veränderungen ...‹«
    Während Lebedjew so sprach, sog er sich mit seinen scharfen
zusammengekniffenen Augen ordentlich an dem ihn erstaunt anblickenden
Fürsten fest; er hoffte immer noch, seine Neugier befriedigt zu sehen.
    »Ich begreife absolut nicht!« rief der Fürst beinah zornig. »Und ...
Sie sind ein schrecklicher Intrigant!« fügte er, auf einmal herzlich
auflachend, hinzu.
    Sofort fing auch Lebedjew an zu lachen, und sein strahlender Blick
ließ erkennen, daß seine Hoffnungen wieder lebendig geworden waren und
sich sogar verdoppelt hatten.
    »Ich werde Ihnen einmal was sagen, Lukjan Timofejewitsch. Nehmen Sie
es mir nur nicht übel; aber ich wundere mich über Ihre Naivität, und
nicht allein über die Ihrige! Sie erwarten gerade jetzt, gerade in
diesem Augenblick von mir etwas mit solcher Naivität, daß ich mich
ordentlich vor Ihnen darüber schäme, daß ich nichts mitzuteilen habe,
wodurch ich Ihre Wißbegierde befriedigen könnte; aber ich schwöre
Ihnen, daß absolut nichts vorliegt; können Sie sich das vorstellen?«
    Der Fürst fing wieder an zu lachen.
    Lebedjew nahm eine würdevolle Haltung an. Er war allerdings manchmal
sehr naiv und zudringlich in seiner Neugier; aber gleichzeitig war er
ein recht schlauer, geriebener Mensch und in manchen Fällen sogar von
einer heimtückischen Schweigsamkeit; der Fürst hatte dadurch, daß er
ihn fortwährend zurückstieß, ihn sich beinah zum Feind gemacht. Aber
der Fürst stieß ihn nicht etwa deswegen zurück, weil er ihn
geringgeschätzt hätte, sondern weil der Gegenstand seiner Neugier von
gar zu zarter Natur war. Gewisse Zukunftsträumereien hatte der Fürst
noch vor einigen Tagen gewissermaßen wie ein Verbrechen betrachtet;
aber Lukjan Timofejewitsch faßte das ablehnende Verhalten des Fürsten
lediglich als Widerwillen und Mißtrauen gegen ihn persönlich auf, ging
in solchen Fällen mit tief verwundetem Herzen fort und war nicht nur
auf Kolja und Keller, sondern auch sogar auf seine eigene Tochter Wjera
Lukjanowna eifersüchtig, weil diese in vertraulicheren Beziehungen zum
Fürsten standen.
    Vielleicht hätte er sogar gerade in diesem Augenblick aufrichtig
gewünscht, dem Fürsten eine für diesen höchst interessante Mitteilung
zu machen; aber er schwieg finster und sagte nichts.
    »Womit kann ich Ihnen denn nun dienen, hochgeehrter Fürst, da Sie
mich doch jetzt haben rufen lassen?« fragte er endlich, nachdem das
Stillschweigen eine Weile gedauert hatte.
    »Ich wollte Sie eigentlich nach dem Generalfragen«, versetzte der
Fürst, der sich ebenfalls einen Augenblick seinen Gedanken überlassen
hatte und nun zusammenfuhr, »und wie es mit dem Diebstahl geworden ist,
der bei Ihnen stattgefunden hat, und von dem Sie mir Mitteilung gemacht
haben ...«
    »Wie es womit geworden ist?«
    »Na aber! Als ob Sie mich jetzt nicht verständen! Ach, mein Gott,
was soll das nur vorstellen, Lukjan Timofejewitsch; Sie schauspielern
fortwährend! Ich rede von dem Geld, von dem Geld, von den vierhundert
Rubeln, die Sie damals mit der Brieftasche verloren hatten; Sie kamen
an dem Morgen, ehe Sie nach Petersburg fuhren, hierher, um mir davon zu
erzählen; haben Sie nun endlich verstanden?«
    »Ach so, jene vierhundert Rubel meinen Sie!« erwiderte Lebedjew
gedehnt, wie wenn er erst jetzt auf das Richtige käme. »Ich danke
Ihnen, Fürst, für Ihre aufrichtige Teilnahme; sie ist mir sehr
schmeichelhaft; aber ... ich habe das

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