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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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Ihretwillen wegen des Erziehungssystems in Streit geriet; denn
immer Schläge und Schläge für ein krankes Kind ... das ist doch ... das
müssen Sie selbst sagen ...«; und mit welcher Zärtlichkeit ganz im
Gegensatz dazu die jüngere Kusine, Natalja Nikititschna, den armen
Knaben behandelt habe ... »Sie leben jetzt beide«, berichtete er
weiter, »im ...sker Gouvernement (ich weiß nur nicht, ob sie zur Zeit
wirklich noch leben), wo ihnen von Pawlischtschew ein sehr nettes
kleines Gut durch Erbschaft zugefallen ist. Marfa Nikititschna
beabsichtigte, wenn mir recht ist, in ein Kloster zu gehen; übrigens
will ich es nicht behaupten; vielleicht habe ich es von jemand gehört
... ja, ich hörte es neulich von der Frau eines Arztes ...«
    Die Augen des Fürsten glänzten vor Entzücken und Rührung, als er das
hörte. Er erklärte seinerseits sehr eifrig, er werde es sich nie
verzeihen, daß er in den sechs Monaten, während er in den inneren
Gouvernements herumgereist sei, nicht die Gelegenheit benutzt habe, um
seine früheren Pflegerinnen ausfindig zu machen und zu besuchen. Er
habe alle Tage hinfahren wollen und sei immer durch andere Dinge daran
gehindert worden ... aber jetzt nehme er es sich fest vor ... unbedingt
... wenn es auch im ...sker Gouvernement sei ... »Also Sie kennen
Natalja Nikititschna? Was ist das für eine prächtige, fromme Seele!
Aber auch Marfa Nikititschna ... verzeihen Sie mir, aber Sie irren sich
wohl in bezug auf Marfa Nikititschna! Sie war ja streng, aber ... man
mußte ja mit einem solchen Idioten, wie ich es damals war, notwendig
die Geduld verlieren (hihi!). Ich war ja damals vollständig ein Idiot;
Sie werden es kaum glauben können (haha!). Übrigens ... übrigens, Sie
haben mich damals gesehen und ... Sagen Sie nur, wie geht es zu, daß
ich mich Ihrer nicht erinnere? Also Sie ... ach, mein Gott, also Sie
sind wirklich ein Verwandter Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschews?«
    »Ja, ich ver-si-che-re es Ihnen!« erwiderte Iwan Fjodorowitsch, indem er den Fürsten lächelnd anblickte.
    »Oh, ich sagte es ja nicht in dem Sinne, als ob ich ... als ob ich
daran zweifelte ... und kann man denn etwa irgendwie daran zweifeln?
(hehe!) Ich meine, auch nur im geringsten? (hehe!) Sondern ich sagte es
deshalb, weil der verstorbene Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschew ein
so vortrefflicher Mensch war! Ein hochherziger Mensch, wahrhaftig, ich
versichere es Ihnen!«
    Der Fürst war nicht nur außer Atem, sondern »erstickte sozusagen an
seinen schönen Empfindungen«, wie sich über ihn am andern Morgen
Adelaida im Gespräch mit ihrem Bräutigam, dem Fürsten Schtsch.,
ausdrückte.
    »Ach, mein Gott!« erwiderte Iwan Petrowitsch lachend; »warum sollte
ich denn nicht sogar mit einem hoch-her-zi-gen Menschen verwandt sein
können?«
    »Ach, mein Gott!« rief der Fürst verlegen und hastig; er wurde immer
lebhafter. »Ich ... ich habe wieder eine Dummheit gesagt; aber ... es
ist eben nicht anders möglich, weil ich ... weil ich ... weil ich ...
indes, das gehört wieder nicht hierher! Und was liegt auch jetzt an
mir, sagen Sie selbst, gegenüber so hohen Bestrebungen ... gegenüber so
erhabenen Bestrebungen! Und im Vergleich mit einem so hochherzigen
Menschen ... denn, weiß Gott, er war ein hochherziger Mensch, nicht
wahr? Nicht wahr?«
    Der Fürst zitterte am ganzen Leib. Warum er sich auf einmal so
aufregte, warum er ohne äußeren Anlaß in eine solche Rührung und in ein
solches Entzücken hineingeriet, die anscheinend gar nicht im richtigen
Verhältnis zu dem Gegenstand des Gesprächs standen, das wäre schwer zu
sagen. Er war nun einmal in solcher Stimmung und empfand sogar in
diesem Augenblick beinah gegen irgend jemand und für irgend etwas die
heißeste, innigste Dankbarkeit, vielleicht sogar gegen Iwan Petrowitsch
und beinah auch gegen alle Gäste zusammengenommen. Er war nun einmal
gar zu glücklich. Iwan Petrowitsch begann ihn schließlich weit genauer
zu betrachten als vorher; auch der Würdenträger musterte ihn sehr
genau. Die alte Bjelokonskaja richtete einen zornigen Blick auf den
Fürsten und preßte die Lippen aufeinander. Fürst N., Jewgeni
Pawlowitsch, Fürst Schtsch. und die jungen Mädchen unterbrachen
sämtlich ihre Gespräche und hörten zu. Aglaja schien erschrocken zu
sein, Lisaweta Prokofjewna es geradezu mit der Angst zu bekommen. Das
Verhalten der Jepantschinschen Damen, der Mutter und der Töchter, war
recht sonderbar: sie waren selbst der Ansicht gewesen, es sei

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