Der Idiot
am
besten, wenn der Fürst den Abend über schweigend dasitze, und hatten
ihm dies auch anempfohlen; aber sowie sie gesehen hatten, daß er völlig
vereinsamt und mit seinem Schicksal ganz zufrieden in einer Ecke saß,
waren sie auch sofort in Aufregung geraten. Alexandra hatte vorgehabt,
zu ihm hinzugehen und ihn vorsichtig, quer durch das ganze Zimmer zur
Gesellschaft heranzuholen, das heißt genauer zum Fürsten N., der neben
der alten Bjelokonskaja saß. Und kaum hatte der Fürst von selbst zu
reden angefangen, als sie sich noch mehr beunruhigten.
»Daß er ein vortrefflicher Mensch war, darin haben Sie recht«, sagte
Iwan Petrowitsch mit Nachdruck und nunmehr ohne zu lächeln; »ja, ja, er
war ein prächtiger Mensch! Ein prächtiger, wertvoller Mensch!« fügte er
nach einem kurzen Stillschweigen hinzu. »Man kann sagen, ein höchst
achtungswerter Mensch«, fuhr er nach einer neuen Pause mit noch
größerem Nachdruck fort, »und ... und es ist eine Freude, zu sehen, daß
Sie Ihrerseits ...«
»Hatte dieser Pawlischtschew nicht so eine Affäre ... eine
sonderbare Affäre ... mit einem Abbé ... mit einem Abbé ... ich habe
vergessen, mit was für einem Abbé; aber es sprachen damals alle davon«,
sagte der Würdenträger, indem er in seinem Gedächtnis nachsuchte.
»Mit dem Abbé Gouraud, einem Jesuiten«, kam ihm Iwan Petrowitsch zu
Hilfe. »Ja, so geht es mit unsern vortrefflichsten, würdigsten Männern!
Denn er war doch von guter Familie, besaß Vermögen, hatte den Rang
eines Kammerherrn, und wenn er ... im Dienst geblieben wäre ... Und da
ließ er nun Dienst und alles im Stich, um zum Katholizismus
überzutreten und Jesuit zu werden, und noch dazu beinah ganz offen, mit
einer Art von Begeisterung. Wirklich, er ist gerade zur rechten Zeit
gestorben ... ja; das wurde damals allgemein gesagt.«
Der Fürst war außer sich.
»Pawlischtschew ... Pawlischtschew wäre zum Katholizismus übergetreten? Das ist unmöglich!« rief er erschrocken.
»Nun, nun, ›unmöglich‹!« lispelte Iwan Petrowitsch gelassen. »Das
ist denn doch zu viel gesagt, mein lieber Fürst, das müssen Sie selbst
zugeben ... Übrigens, Sie schätzen den Verstorbenen so außerordentlich
hoch ... und er war auch wirklich der beste Mensch, und gerade diesem
Umstand schreibe ich es in der Hauptsache zu, daß dieser Gauner Gouraud
mit seinen Bemühungen Erfolg hatte. Aber ich könnte Ihnen ein Lied
davon singen, wieviel Mühe und Schererei ich damals von dieser
Geschichte gehabt habe ... und besonders mit eben diesem Gouraud!
Stellen Sie sich vor«, wandte er sich plötzlich zu dem Würdenträger,
»sie wollten sogar Ansprüche auf die Hinterlassenschaft erheben, und
ich mußte damals sogar zu den allerenergischsten Maßregeln greifen ...
um sie zur Räson zu bringen ... denn auf solche Dinge verstehen sie
sich meisterhaft! Geradezu mei-ster-haft! Aber die Geschichte spielte,
Gott sei Dank, in Moskau, so daß ich mich gleich an den Grafen wenden
konnte, und da haben wir sie ... zur Räson gebracht ...«
»Sie glauben nicht, was Sie mir für eine schmerzliche Überraschung bereitet haben!« rief der Fürst wieder.
»Das tut mir leid; aber im Grund sind das alles, strenggenommen,
harmlose Dinge, die auch einen harmlosen Ausgang genommen hätten, wie
immer; davon bin ich überzeugt. Im vorigen Sommer«, wandte er sich
wieder an den Würdenträger, »ist die Gräfin K., wie man sagt, ebenfalls
im Ausland in ein katholisches Kloster getreten; unsere Landsleute
haben eben keine Widerstandskraft, wenn sie sich einmal mit diesen ...
geriebenen Kunden einlassen ... namentlich im Ausland.«
»Ich meine, das ist alles eine Folge unserer ... Schlaffheit«,
murmelte unter Kaubewegungen der Alte im Ton der Überlegenheit. »Na ja,
sie haben so eine eigene Manier zu predigen ..., eine elegante Manier
..., und verstehen, die Leute einzuschüchtern. Auch mich haben sie, als
ich einunddreißig Jahre alt war, in Wien eingeschüchtert, kann ich
Ihnen versichern; nur ergab ich mich ihnen nicht, sondern lief vor
ihnen davon, haha! Ich bin wirklich vor ihnen davongelaufen.«
»Ich habe gehört, Väterchen, daß Sie damals mit der schönen Gräfin
Lewizkaja von Wien nach Paris durchgingen und Ihren Posten verließen,
und nicht vor einem Jesuiten flohen«, bemerkte die alte Bjelokonskaja.
»Na, eigentlich doch vor einem Jesuiten; es kommt doch so heraus,
daß ich vor einem Jesuiten floh!« erwiderte der Alte, bei der
angenehmen Erinnerung lächelnd. »Sie
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