Der Idiot
deshalb hergekommen, um Ihnen
meine persönliche Befriedigung über Ihre aufrichtigen
freundschaftlichen Gefühle gegen mich auszusprechen, und wenn ich
derselben bedürfen sollte, so seien Sie überzeugt ...‹ Hier machte sie
ihnen eine Abschiedsverbeugung, und beide gingen weg, ich weiß nicht,
ob mit dem Gefühl, zum Narren gehalten zu sein, oder mit einem Gefühl
des Triumphes; Ganja jedenfalls mit dem ersteren; er hatte von der
Sache noch nichts begriffen und war rot wie ein Krebs geworden (er hat
manchmal einen ganz wunderlichen Gesichtsausdruck!); aber Warwara
Ardalionowna hatte wohl verstanden, daß sie sich möglichst schnell
davonmachen mußten und von Aglaja Iwanowna nichts mehr zu erwarten
hatten, und zog den Bruder mit sich fort. Sie ist klüger als er und
triumphiert jetzt; davon bin ich überzeugt. Ich meinerseits war zu dem
Gespräch mit Aglaja Iwanowna hingegangen, um mit ihr alles wegen ihrer
Zusammenkunft mit Nastasja Filippowna zu verabreden.«
»Mit Nastasja Filippowna!« rief der Fürst.
»Aha! Jetzt, scheint es, verlieren Sie Ihre Kaltblütigkeit und
fangen an, sich zu wundern? Ich freue mich sehr, daß Sie einem Menschen
ähnlich werden wollen. Zum Lohn dafür will ich Ihnen auch etwas
Interessantes erzählen. Das hat man davon, wenn man jungen,
hochgesinnten Mädchen Dienste erweist: ich habe heute von ihr eine
Ohrfeige bekommen!«
»Im ... im übertragenen Sinne?« fragte der Fürst unwillkürlich.
»Ja, nicht im physischen. Ich glaube, gegen einen solchen Menschen,
wie ich, kann niemand die Hand aufheben; nicht einmal eine Frau wird
jetzt nach mir schlagen; nicht einmal Ganja wird es tun! Wiewohl ich
gestern eine Zeitlang dachte, er werde sich auf mich stürzen ... Ich
möchte wetten, daß ich weiß, woran Sie jetzt denken. Sie denken:
›Schlagen darf man ihn allerdings nicht; aber dafür könnte man ihn mit
einem Kissen ersticken oder im Schlaf mit einem nassen Lappen ... und
das müßte man sogar tun ...‹ Es steht Ihnen auf dem Gesicht
geschrieben, daß Sie das denken, in eben dieser Sekunde.«
»Das habe ich nie gedacht!« versetzte der Fürst voll Widerwillen.
»Ich weiß nicht, mir hat heute nacht geträumt, daß mich jemand mit
einem nassen Lappen erstickte ... na, ich will Ihnen auch sagen, wer:
denken Sie sich – Rogoschin! Was meinen Sie, kann man einen Menschen
mit einem nassen Lappen ersticken?«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich habe gehört, daß das möglich sei. Nun gut, verlassen wir dieses
Thema! Na, wieso bin ich eine Klatschschwester? Warum hat sie mich
heute eine Klatschschwester gescholten? Wohlgemerkt: erst nachdem sie
alles bis auf das letzte Pünktchen angehört und sogar ihrerseits Fragen
gestellt hatte ... Aber so sind die Weiber! Ihr zu Gefallen bin ich zu
Rogoschin in Beziehung getreten, zu diesem interessanten Menschen; in
ihrem Interesse habe ich eine persönliche Zusammenkunft zwischen ihr
und Nastasja Filippowna arrangiert. Vielleicht trägt sie es mir nach,
daß ich ihr Ehrgefühl verletzt habe, indem ich darauf hindeutete, daß
sie sich an einem von Nastasja Filippowna abgenagten Knochen vergnüge.
Und ich will nicht leugnen, daß ich ihr das in ihrem eigenen Interesse
die ganze Zeit über klarzumachen suchte, indem ich ihr zwei Briefe
dieses Inhalts schrieb und dann an dritter Stelle dieses Rendezvous mit
ihr hatte ... Ich habe auch bei dem Rendezvous mit ihr das Gespräch mit
dem Hinweis begonnen, daß dies für sie erniedrigend sei ... Und dabei
rührt die Wendung vom abgenagten Knochen eigentlich nicht von mir her,
sondern von einem andern; wenigstens bedienten sich bei Ganja alle
dieses Ausdrucks; und sogar sie selbst hat ihn in den Mund genommen. Na
also, warum nennt sie mich da eine Klatschschwester? Ich sehe, ich
sehe: es ist Ihnen jetzt bei meinem Anblick sehr lächerlich zumute, und
ich möchte darauf wetten, daß Sie auf mich die dummen Verse anwenden:
›Und auf mein Ende glänzt, obgleich es trübe,
Vielleicht ein holder Abschiedsblick der Liebe.‹
Hahaha!« Er brach plötzlich in ein krampfhaftes Lachen aus und bekam
einen Hustenanfall. »Beachten Sie auch«, fuhr er während des Hustens
mit heiserer Stimme fort, »was für ein Mensch dieser Ganja ist: er
redet vom abgenagten Knochen, und was ist das, woran er sich jetzt
delektieren möchte, anderes als ein solcher?«
Der Fürst schwieg lange; er war sehr erschrocken.
»Sie sprachen von einer Zusammenkunft mit Nastasja Filippowna?« murmelte er endlich.
»Ei, ist Ihnen denn
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