Der Idiot
zuverlässig waren, Gawrila Ardalionowitsch habe auch diesmal
sehr wenig Glück gehabt; er habe, als Warwara Ardalionowna zu Lisaweta
Prokofjewna gelaufen und er mit Aglaja allein geblieben sei, die
Gelegenheit benutzen wollen und angefangen, von seiner Liebe zu reden;
als Aglaja das gehört habe, sei sie trotz all ihres Grames und ihrer
Tränen auf einmal in ein lautes Gelächter ausgebrochen und habe ihm die
seltsame Frage vorgelegt, ob er wohl zum Beweis seiner Liebe auf der
Stelle seinen Finger über einer Kerze verbrennen wolle. Gawrila
Ardalionowitsch sei über dieses Ansinnen ganz verdutzt und fassungslos
gewesen und habe ein so verblüfftes Gesicht gemacht, daß Aglaja über
ihn krampfhaft gelacht, ihn verlassen habe und zu Nina Alexandrowna
nach oben gelaufen sei, wo ihre Eltern sie dann vorgefunden hätten.
Diese Geschichte gelangte am andern Tag durch Ippolit zur Kenntnis des
Fürsten. Da Ippolit nicht mehr vom Bett aufstand,
so ließ er den Fürsten expreß zu sich rufen, um ihm diese Nachricht
mitzuteilen. Wie dieses Gerücht zu Ippolits Ohren gelangt war, ist uns
unbekannt; aber als der Fürst die Geschichte von der Kerze und dem
Finger hörte, lachte er so herzlich, daß sogar Ippolit sich wunderte;
aber dann fuhr er auf einmal zusammen und brach in Tränen aus ...
Überhaupt befand er sich in diesen Tagen in großer Unruhe und in einer
außerordentlichen undefinierbaren und qualvollen Verwirrung. Ippolit
behauptete geradezu, er habe nicht seinen Verstand; aber darüber ließ
sich noch nichts Sicheres sagen.
Indem wir alle diese Tatsachen vorführen und es ablehnen, sie zu
erklären, beabsichtigen wir nicht, unsern Helden in den Augen unserer
Leser zu entschuldigen. Wir sind im Gegenteil durchaus bereit, die
Entrüstung zu teilen, die er sogar bei seinen Freunden durch sein
Verhalten erweckte. Selbst Wjera Lebedjewa war eine Zeitlang über ihn
empört; selbst Kolja war empört; desgleichen selbst Keller, bis er zum
Bräutigamsmarschall erwählt war; ganz zu schweigen von Lebedjew selbst,
der sogar gegen den Fürsten zu intrigieren anfing, und zwar ebenfalls
aus Empörung, die sogar ganz aufrichtig war. Aber davon werden wir noch
später zu reden haben. Überhaupt aber sind wir völlig und im höchsten
Grade mit einigen sehr kräftigen und in psychologischer Hinsicht sogar
sehr tiefsinnigen Bemerkungen einverstanden, welche Jewgeni Pawlowitsch
offen und ohne Umstände dem Fürsten gegenüber in einem
freundschaftlichen Gespräch aussprach, und zwar am sechsten oder
siebenten Tag nach dem Vorfall bei Nastasja Filippowna. Wir bemerken
bei dieser Gelegenheit, daß nicht nur Jepantschins selbst, sondern auch
alle, die direkt oder indirekt mit der Familie in Verbindung standen,
es für notwendig hielten, alle Beziehungen zum Fürsten vollständig
abzubrechen. Fürst Schtsch. zum Beispiel wendete sich sogar weg, als er
dem Fürsten begegnete, und erwiderte seinen Gruß nicht. Aber Jewgeni
Pawlowitsch fürchtete nicht, sich dadurch zu kompromittieren, daß er
den Fürsten besuchte, trotzdem er selbst wieder angefangen hatte,
täglich bei Jepantschins zu verkehren, und dort mit sichtlich erhöhter
Freundlichkeit aufgenommen wurde. Er kam zum Fürsten gleich am nächsten
Tag, nachdem alle Jepantschins aus Pawlowsk weggezogen waren. Beim
Eintritt kannte er bereits alle im Publikum verbreiteten Gerüchte, ja
er hatte vielleicht selbst teilweise bei ihrer Verbreitung mitgewirkt.
Der Fürst freute sich sehr über sein Kommen und begann sogleich von
Jepantschins zu reden; dieses schlichte, offenherzige Verfahren löste
auch dem Gast die Zunge, so daß auch er ohne Umschweife geradewegs zur
Sache kam.
Der Fürst wußte noch nicht, daß Jepantschins weggezogen waren; er
war überrascht und wurde blaß; aber einen Augenblick darauf nickte er
verwirrt und nachdenklich mit dem Kopf und gestand, daß es wohl habe so
kommen müssen; dann erkundigte er sich schnell danach, wohin sie denn
gezogen seien.
Jewgeni Pawlowitsch beobachtete ihn unterdessen aufmerksam, und
alles, was er wahrnahm, das heißt die Schnelligkeit der Fragen, ihre
Geradheit, die Verwirrung des Fürsten und gleichzeitig eine gewisse
sonderbare Offenherzigkeit, Unruhe und Aufregung, alles dies versetzte
ihn in nicht geringe Verwunderung. Er machte übrigens in
liebenswürdiger Weise dem Fürsten von allem eingehende Mitteilung;
dieser wußte vieles noch nicht, und dies war der erste Bote, der von
jener Familie zu ihm kam. Er bestätigte, daß Aglaja
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