Der Idiot
gehört, daß im Ort
Entrüstung herrsche und wirklich von einigen Taugenichtsen eine
Katzenmusik vorbereitet werde, mit speziell für diesen Zweck
gedichteten Spottversen, und daß alles dies auch von der übrigen
Gesellschaft gutgeheißen werde. Und nun habe sie gerade Lust, den Kopf
vor all diesen Leuten noch höher zu tragen und alle durch den Geschmack
und Reichtum ihrer Toilette in den Schatten zu stellen; »mögen sie
schreien, mögen sie pfeifen, wenn sie es wagen!« Bei dem bloßen
Gedanken daran funkelten ihr die Augen. Sie hatte noch eine geheime
Hoffnung, sprach sie aber nicht laut aus: sie hoffte, Aglaja oder
wenigstens ein Abgesandter von ihr werde ebenfalls inkognito unter dem
Publikum in der Kirche sein und die Trauung mit ansehen, und sie
bereitete sich darauf im stillen vor. Sie schied gegen elf Uhr abends
vom Fürsten, ganz mit diesen Gedanken beschäftigt; aber es hatte noch
nicht zwölf geschlagen, als ein Bote von Darja Alexejewna zum Fürsten
gelaufen kam: er möchte schnell hinkommen; es stehe sehr schlecht. Als
der Fürst hinkam, hatte sich seine Braut im Schlafzimmer eingeschlossen
und weinte verzweifelt und krampfhaft; sie wollte lange Zeit nicht auf
das hören, was man ihr durch die verschlossene Tür sagte; endlich
öffnete sie, ließ nur den Fürsten herein, schloß hinter ihm die Tür
wieder zu und fiel vor ihm auf die Knie. (So stellte es wenigstens
Darja Alexejewna nachher dar, die einiges hatte erspähen können.)
»Was tue ich! Was tue ich! Was tue ich dir an!« rief sie, indem sie seine Füße fest umklammerte.
Der Fürst blieb eine ganze Stunde bei ihr; wir wissen nicht, wovon
sie redeten. Darja Alexejewna erzählte, sie hätten sich nach einer
Stunde in beruhigter, glücklicher Stimmung voneinander getrennt. Der
Fürst schickte noch einmal in dieser Nacht hin, um sich erkundigen zu
lassen; aber Nastasja Filippowna war bereits eingeschlafen. Am Morgen,
noch ehe sie aufgewacht war, erschienen noch zwei Boten vom Fürsten bei
Darja Alexejewna und erst der dritte Abgesandte erhielt den Auftrag,
zurückzumelden, Nastasja Filippowna sei jetzt von einem ganzen Schwarm
von Modistinnen und Friseuren aus Petersburg umgeben; von der gestrigen
Aufregung sei nicht die Spur mehr vorhanden; sie sei mit ihrer Toilette
beschäftigt, wie es bei einer so schönen Frau vor der Trauung nicht
anders möglich sei; und jetzt, gerade in diesem Augenblick, finde eine
wichtige Beratung darüber statt, was von Brillanten angelegt werden
solle, und wie. Der Fürst beruhigte sich vollständig.
Der ganze nachstehende Bericht über diese Hochzeit ist den
Erzählungen von Leuten entnommen, die über diese Ereignisse Bescheid
wußten, und scheint zuverlässig zu sein.
Die Trauung war auf acht Uhr abends angesetzt; Nastasja Filippowna
war schon um sieben Uhr fertig. Schon von sechs Uhr an begannen sich
allmählich Scharen von Gaffern um Lebedjews Landhaus zu sammeln,
besonders aber bei Darja Alexejewnas Haus; von sieben Uhr an fing auch
die Kirche an, sich zu füllen. Wjera Lebedjewa und Kolja waren in
großer Angst um den Fürsten; indes hatten sie zu Haus viel zu tun: sie
arrangierten in der Wohnung des Fürsten alles für den Empfang und die
Bewirtung der Gäste. Übrigens war nach der Trauung fast gar keine
Gesellschaft in Aussicht genommen; außer denjenigen Personen, die bei
der Eheschließung notwendig zugegen sein mußten, hatte Lebedjew noch
Ptizyns, Ganja, den Arzt mit dem Anna-Orden am Hals und Darja
Alexejewna eingeladen. Als der Fürst ihn verwundert fragte, wie er denn
darauf gekommen sei, den Arzt einzuladen, der ihnen ja fast ganz
unbekannt sei, antwortete Lebedjew selbstgefällig: »Er hat einen Orden
am Hals; er ist ein respektabler Herr, eine schöne Dekoration«, und
brachte dadurch den Fürsten zum Lachen. Keller und Burdowski sahen in
Frack und Handschuhen sehr anständig aus; nur setzte Keller immer noch
den Fürsten und seine übrigen Vollmachtgeber durch seine unverhohlene
Kampflust in Verlegenheit und warf den Gaffern, die sich um das Haus
gesammelt hatten, feindselige Blicke zu. Endlich, um halb acht, begab
sich der Fürst im Wagen nach der Kirche. Wir bemerken bei dieser
Gelegen heit, daß er selbst absichtlich nichts von den herkömmlichen
Sitten und Gebräuchen unterlassen wollte; alles vollzog sich in voller
Öffentlichkeit und »wie es sich gehört«. In der Kirche schritt er mit
Mühe durch die Volksmenge hindurch unter ununterbrochenem Geflüster und
lauten Bemerkungen des
Weitere Kostenlose Bücher