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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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Witterung spüre ich sie. In allen anderen
Beziehungen lebe ich wie ein Philosoph, gehe spazieren, spiele in
meinem Café Dame wie ein Bourgeois, der sich von den Geschäften
zurückgezogen hat, und lese die ›Indépendance‹. Aber mit unserem
Portos, dem General Jepantschin, bin ich infolge einer Geschichte, die
sich vor zwei Jahren mit einem Bologneserhündchen zutrug, völlig
auseinandergekommen.«
    »Mit einem Bologneserhündchen! Wie hängt denn das zusammen?« fragte
Nastasja Filippowna äußerst neugierig. »Mit einem Bologneserhündchen?
Erlauben Sie, und auf der Eisenbahn ...!« Sie schien etwas in ihrem
Gedächtnis zu suchen.
    »Oh, es ist eine dumme Geschichte, die nicht verdient, daß man sie
noch einmal erzählt. Es handelt sich dabei um eine Mrs. Smith, eine
Gouvernante der Fürstin Bjelokonskaja; aber ... es lohnt nicht der
Mühe, es zu erzählen.«
    »Aber unbedingt müssen Sie es erzählen!« rief Nastasja Filippowna lustig.
    »Auch ich habe diese Geschichte noch nicht gehört«, bemerkte Ferdyschtschenko. »C'est du nouveau.«
    »Ardalion Alexandrowitsch!« rief Nina Alexandrowna wieder in flehendem Ton.
    »Papa, es fragt jemand nach Ihnen«, sagte Kolja.
    »Es ist eine dumme Geschichte, und sie läßt sich in wenigen Worten
erzählen«, begann der General sehr selbstzufrieden. »Vor zwei Jahren,
ja, vor noch nicht ganz zwei Jahren, die Eröffnung der neuen ...
skischen Eisenbahn hatte soeben stattgefunden, mußte ich in einer für
mich sehr wichtigen Angelegenheit (es handelte sich um den Austritt aus
meiner dienstlichen Stellung) eine Reise machen; ich war schon in Zivil
und nahm mir ein Billett erster Klasse. Ich stieg ein, setzte mich hin
und rauchte. Das heißt, ich fuhr fort zu rauchen; angesteckt hatte ich
mir die Zigarre schon vorher. Ich war in dem Abteil ganz allein. Das
Rauchen ist nicht verboten, aber auch nicht erlaubt, es ist so halb
erlaubt und geschieht üblicherweise; na, und es kommt auch auf die
Person des Betreffenden an. Das Fenster war heruntergelassen.
Plötzlich, kurz bevor die Lokomotive pfiff, stiegen zwei Damen mit
einem Bologneserhündchen ein und setzten sich mir gerade gegenüber; sie
hatten sich verspätet; die eine war höchst elegant gekleidet, in
Hellblau; die andere bescheidener, in einem schwarzseidenen Kleid mit
einer Pelerine. Sie waren beide hübsch, machten aber hochmütige
Gesichter und sprachen Englisch. Ich kümmerte mich natürlich nicht um
sie und rauchte weiter. Das heißt, ich dachte schon daran, aufzuhören;
aber da das Fenster offen war, so rauchte ich weiter, zum Fenster
hinaus. Das Bologneserhündchen lag ruhig auf dem Schoß der hellblauen
Dame; es war ein kleines Tier, so groß wie eine Faust, schwarz, mit
weißen Pfoten, geradezu eine Seltenheit; es hatte ein silbernes
Halsband mit einer Inschrift darauf. Ich kümmerte mich um nichts,
merkte aber, daß die Damen sich ärgerten, offenbar über meine Zigarre.
Die eine starrte mich durch ihre schildpattne Lorgnette an. Ich blieb
dabei, mich nicht um sie zu kümmern; denn sie sagten ja kein Wort zu
mir! Sie hätten doch reden, mich ersuchen, mich bitten können; wozu hat
der Mensch denn schließlich seine Zunge? Aber nein, sie schwiegen ...
Auf einmal (und zwar, wie ich Ihnen sage, ohne die geringste, das heißt
ohne die allergeringste vorhergehende Bemerkung, ganz wie wenn sie von
Sinnen gekommen wäre) reißt mir die Hellblaue die Zigarre aus der Hand
und wirft sie aus dem Fenster. Der Zug sauste dahin; ich wußte gar
nicht, wie mir geschehen war. Das mußte ein tolles Frauenzimmer sein,
ein tolles Frauenzimmer, von einer ganz tollen Sorte; im übrigen war es
ein stattliches Weib, üppig, hochgewachsen, blond, mit roten (fast zu
roten) Backen, und ihre Augen funkelten mich nur so an. Ohne ein Wort
zu sagen, nähere ich mich mit der größten Höflichkeit, mit der
vollendetsten Höflichkeit, sozusagen mit der raffiniertesten
Höflichkeit dem Bologneserhündchen, fasse es ganz behutsam mit zwei
Fingern am Genick und werfe es der Zigarre nach aus dem Fenster! Es
winselte nur ein wenig! Der Zug sauste weiter.«
    »Sie sind ein Unmensch!« rief Nastasja Filippowna lachend und klatschte wie ein kleines Mädchen in die Hände.
    »Bravo, bravo!« rief Ferdyschtschenko.
    Auch Ptizyn, dem das Erscheinen des Generals gleichfalls sehr
unangenehm gewesen war, lächelte; sogar Kolja lachte und rief
ebenfalls: »Bravo!«
    »Und ich war im Recht, ich war im Recht, durchaus im Recht!« fuhr
der triumphierende

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