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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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General eifrig fort. »Denn wenn das Rauchen auf der
Bahn verboten ist, so ist das Mitnehmen von Hunden noch weit mehr
verboten.«
    »Bravo, Papa!« rief Kolja ganz entzückt. »Großartig! Ich hätte es unbedingt ebenso gemacht, unbedingt!«
    »Aber was tat denn nun die Dame?« fragte Nastasja Filippowna ungeduldig.
    »Die? Ja, das ist nun eben das Unangenehme bei der Geschichte«, fuhr
der General stirnrunzelnd fort. »Ohne ein Wort zu sagen, ohne vorher
auch nur die geringste Andeutung zu machen, versetzte sie mir eine
Ohrfeige! Ein tolles Frauenzimmer, von einer ganz tollen Sorte!«
    »Und Sie?«
    Der General schlug die Augen nieder, zog die Augenbrauen und die
Schultern in die Höhe, preßte die Lippen zusammen, breitete die Arme
auseinander, schwieg ein Weilchen und sagte dann:
    »Ich ließ mich hinreißen!«
    »Haben Sie ihr weh getan? Ja?«
    »Weiß Gott, weh getan habe ich ihr eigentlich nicht! Es hat viel
häßliches Gerede gegeben; aber weh habe ich ihr eigentlich nicht getan.
Ich habe nur eine einzige abwehrende Handbewegung gemacht, lediglich um
sie mir vom Leibe zu halten. Aber da hatte nun der Teufel selbst sein
Spiel: Es stellte sich heraus, daß die Hellblaue eine Engländerin war,
eine Gouvernante oder sogar Hausfreundin der Fürstin Bjelokonskaja; und
die im schwarzen Kleid, das war die älteste Komtesse Bjelokonskaja,
eine alte Jungfer von etwa fünfunddreißig Jahren. Nun ist allgemein
bekannt, in wie nahen Beziehungen die Generalin Jepantschina zu dem
Bjelokonskischen Hause steht. Alle Komtessen fielen in Ohnmacht,
weinten, legten Trauer um das Lieblingshündchen an; die sechs Komtessen
winselten, die Engländerin winselte; es war, als sollte die Welt
untergehen! Na, natürlich fuhr ich als reuiger Sünder hin, schrieb
einen Brief, bat um Verzeihung; aber weder ich wurde angenommen noch
mein Brief. Und mit Jepantschin bekam ich infolgedessen Streit; er
kündigte mir die Freundschaft, und aller Verkehr zwischen uns hörte
auf.«
    »Aber erlauben Sie, wie geht denn das zu?« fragte Nastasja
Filippowna plötzlich; »vor fünf oder sechs Tagen habe ich in der
›Indépendance‹ (ich lese die ›Indépendance‹ ständig) genau dieselbe
Geschichte gelesen. Aber vollständig dieselbe! Der betreffende Vorfall
spielte sich auf einer rheinischen Bahn in einem Waggon zwischen einem
Franzosen und einer Engländerin ab; es wurde ganz ebenso jemandem die
Zigarre aus der Hand gerissen und ganz ebenso ein Bologneserhündchen
aus dem Fenster geworfen; auch endete die Geschichte ganz ebenso wie
bei Ihnen. Selbst das hellblaue Kleid stimmt!«
    Der General wurde sehr rot; auch Kolja errötete und preßte sich den
Kopf mit den Händen zusammen; Ptizyn wendete sich schnell ab. Nur
Ferdyschtschenko lachte wie vorher. Von Ganja brauchte man weiter nicht
zu reden: er stand die ganze Zeit über da und machte stumme,
unerträgliche Qualen durch.
    »Ich kann Ihnen versichern«, murmelte der General, »daß auch mir ganz dasselbe begegnet ist ...«
    »Papa hat wirklich Unannehmlichkeiten mit Mrs. Smith, der
Gouvernante bei Bjelokonskis, gehabt«, rief Kolja. »Daran erinnere ich
mich.«
    »Wie! Genau ebenso? Ein und dieselbe Geschichte sollte sich an zwei
weit auseinanderliegenden Stellen Europas zugetragen haben, genau
übereinstimmend in allen Einzelheiten, mit Einschluß des hellblauen
Kleides?« sagte Nastasja Filippowna, unbarmherzig bei diesem Gegenstand
beharrend. »Ich werde Ihnen die ›Indépendance Belge‹ zuschicken!«
    »Aber beachten Sie wohl«, erwiderte der General, der sich immer noch
standhaft verteidigte, »daß es mir zwei Jahre früher passiert ist.«
    »Ja, das ist entscheidend!«
    Nastasja Filippowna lachte so, daß sie gar nicht wieder aufhören konnte.
    »Papa, ich bitte Sie, auf ein paar Worte mit mir hinauszukommen«,
sagte Ganja mit zitternder Stimme, der man seine Seelenqual anhörte,
und faßte den Vater mechanisch an der Schulter.
    Ein grenzenloser Haß loderte in seinem Blick.
    In diesem Augenblick ertönte außerordentlich laut die Klingel im
Vorzimmer. Bei so gewaltsamem Läuten konnte die Klingel abreißen. Man
konnte sich auf einen ungewöhnlichen Besuch gefaßt machen. Kolja lief
hin, um zu öffnen.

X
    Im Vorzimmer wurde es plötzlich sehr geräuschvoll und lebendig. Vom
Salon aus schien es, daß von draußen mehrere Menschen hereingekommen
seien und ihnen immer noch andere folgten. Mehrere Stimmen redeten und
schrien zugleich; auch auf der Treppe wurde geredet und geschrien;

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