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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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lauter Stimme, indem er die Eingetretenen mit strengem Blick
ansah und sich vorzugsweise an Rogoschin wandte. »Sie sind hier doch
nicht in einen Pferdestall hereingekommen, meine Herren; hier befinden
sich meine Mutter und meine Schwester.«
    »Das sehen wir, daß deine Mutter und deine Schwester da sind«, preßte Rogoschin zwischen den Zähnen hervor.
    »Daß die Mutter und die Schwester da sind, das sieht man«,
pflichtete ihm Lebedjew bei, um sich ein Ansehen zu geben. Der Herr mit
den Fäusten, der wohl annahm, daß jetzt der richtige Augenblick
gekommen sei, fing an, etwas zu brummen.
    »Aber das ist doch unerhört!« rief Ganja erregt und überlaut.
»Erstens ersuche ich Sie alle, dieses Zimmer zu verlassen und in das
Wohnzimmer zu gehen, und dann seien Sie so freundlich, sich
vorzustellen ...«
    »Nun sieh einer an! Er kennt mich nicht!« erwiderte Rogoschin mit
boshaftem Lächeln, ohne sich vom Fleck zu rühren. »Kennst du Rogoschin
nicht mehr?«
    »Ich bin allerdings schon irgendwo mit Ihnen zusammengetroffen, aber ...«
    »Sieh mal an! Irgendwo zusammengetroffen! Ich habe ja erst vor drei
Monaten zweihundert Rubel, die meinem Vater gehörten, an dich
verspielt, und der Alte ist gestorben, ehe er es erfahren hat; du hast
mich hingeschleppt, und Knif hat mich gerupft. Und da kennst du mich
nicht? Ptizyn kann es bezeugen! Aber wenn ich jetzt drei Rubel aus der
Tasche ziehe und dir zeige, dann kriechst du hinter ihnen her auf allen
vieren bis zur Wasili-Insel. So ein Subjekt bist du! So einen Charakter
hast du! Ich bin auch jetzt hierher ge kommen, um dich für Geld zu
kaufen. Kümmere dich nicht darum, daß ich in solchen Stiefeln
hereingekommen bin; ich habe Geld, lieber Freund, viel Geld, und werde
dich und alles, was drum und dran ist, kaufen ... Wenn ich will, kaufe
ich euch alle! Alles kaufe ich!« Er war immer hitziger geworden und
schien immer mehr in die Berauschtheit hineinzugeraten. »Ach, ach!«
schrie er. »Nastasja Filippowna! Jagen Sie mich nicht fort! Sagen Sie
nur ein einziges Wörtchen: werden Sie ihn heiraten oder nicht?«
    Rogoschin hatte diese Frage gestellt, wie wenn er ganz wirr im Kopf
wäre und wie wenn er sich an eine Gottheit wendete, aber mit der
Kühnheit eines zum Tode Verurteilten, der nichts mehr zu verlieren hat.
In Todesangst wartete er auf die Antwort.
    Nastasja Filippowna maß ihn mit einem spöttischen, hochmütigen
Blick; aber dann sah sie nach Warja und nach Nina Alexandrowna hin,
betrachtete prüfend Ganja und veränderte plötzlich ihren Ton.
    »Nein, keineswegs; was haben Sie denn? Und mit welchem Recht stellen
Sie mir diese Frage?« antwortete sie leise und ernst und, wie es
schien, etwas erstaunt.
    »Nein? Nein?« schrie Rogoschin, vor Freude ganz außer sich. »Also
nicht? Und die Leute hatten es mir gesagt ...! Ach! Oh ...! Nastasja
Filippowna! Die Leute sagen, Sie hätten sich mit Ganja verlobt! Mit
diesem Menschen? Ist das denn überhaupt möglich? Ich habe zu allen
Leuten gesagt, daß das nicht möglich ist. Ich kaufe ja den ganzen
Patron für hundert Rubel, und wenn ich ihm tausend Rubel, na, oder auch
dreitausend Rubel dafür gebe, daß er zurücktritt, so wird er am Tag vor
der Hochzeit davonlaufen und mir seine Braut ganz überlassen. Ja, ja,
so ist es, Ganja, du Schuft! Du würdest gewiß die dreitausend nehmen!
Da sind sie, da! Eben deswegen bin ich ja hergekommen, um mir von dir
einen solchen schriftlichen Verzicht ausstellen zu lassen. Ich habe
gesagt: ›Ich will ihn kaufen!‹, und das will ich denn auch tun!«
    »Scher dich weg von hier; du bist ja betrunken!« schrie Ganja, der abwechselnd rot und blaß wurde.
    Sowie diese Aufforderung verklungen war, ließen sich plötzlich
mehrere heftige Stimmen vernehmen; Rogoschins ganzer Trupp hatte schon
lange auf die erste Herausforderung gewartet. Lebedjew flüsterte
Rogoschin etwas mit besonderem Eifer ins Ohr.
    »Da hast du recht, du Bureaumensch!« antwortete Rogoschin. »Da hast
du recht, du Trunkenbold! Ach, wir wollen's wagen! Nastasja
Filippowna!« rief er, blickte wie ein Halbirrer rings um sich, wurde
ängstlich und ging dann auf einmal wieder zu kühner Dreistigkeit über.
»Da sind achtzehntausend Rubel!« Und er warf ein in weißes Papier
eingewickeltes, kreuzweise zugebundenes Päckchen vor ihr auf das
Tischchen. »Da! Und ... es kommt noch mehr!«
    Er wagte nicht zu Ende zu sprechen und zu sagen, was er eigentlich wünschte ...
    »Nein, nein, nein!« flüsterte ihm von neuem Lebedjew mit ganz

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