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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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sich
da Kredit verschafft hat. Bitte, lieber Fürst, sagen Sie nachher meinen
Angehörigen nichts davon, daß ich Ihnen das Billett zugestellt habe!
Tausendmal habe ich schon geschworen, solche Billette nicht mehr zu
bestellen; aber er tut mir dann doch immer wieder leid. Aber ich möchte
Ihnen sagen: machen Sie, bitte, mit ihm keine Umstände; geben Sie ihm
eine Kleinigkeit, dann ist die Sache erledigt.«
    »Das war auch mein Gedanke, Kolja. Ich muß Ihren Papa sprechen ... aus einem besonderen Anlaß ... Kommen Sie ...!«

XII
    Kolja führte den Fürsten in die Nähe nach der Litejnaja-Straße, zu
einem Kaffeehaus, das im Erdgeschoß lag und seinen Eingang von der
Straße hatte. Hier hatte Ardalion Alexandrowitsch es sich als alter
Stammgast rechts in der Ecke in einem besonderen Zimmerchen bequem
gemacht; eine Flasche stand vor ihm auf einem Tischchen; in der Hand
hielt er wirklich die ›Indépendance Belge‹. Er hatte auf den Fürsten
gewartet; kaum hatte er ihn erblickt, so legte er sofort die Zeitung
beiseite und begann eine eifrige, wortreiche Auseinandersetzung, von
der der Fürst übrigens fast nichts verstand, weil der General schon
beinahe »fertig« war.
    »Zehn Rubel habe ich nicht«, unterbrach ihn der Fürst. »Aber hier
ist ein Fünfundzwanzigrubelschein; lassen Sie ihn wechseln und geben
Sie mir fünfzehn Rubel zurück, da ich sonst selbst keinen Groschen in
der Tasche habe.«
    »Oh gewiß; und seien Sie überzeugt, daß ich schleunigst ...«
    »Ich habe außerdem noch eine Bitte an Sie, General. Sind Sie niemals bei Nastasja Filippowna gewesen?«
    »Ich? Ich sollte nicht dagewesen sein? Das sagen Sie zu mir?
Mehrmals, mein Lieber, mehrmals!« rief der General in einem Anfall von
selbstgefälliger, triumphierender Ironie. »Aber ich habe schließlich
diese Beziehung selbst abgebrochen, weil ich diese Mesalliance nicht
befördern mag. Sie haben es selbst gesehen und waren heute morgen
Zeuge: ich habe alles getan, was ein Vater tun konnte; aber das war ein
milder, nachgiebiger Vater; jetzt wird ein Vater von anderer Art auf
die Bühne treten, und dann ... dann wollen wir einmal sehen, ob ein
alter, verdienstvoller Krieger über die Intrige obsiegen oder die
schamlose Kameliendame in eine hochanständige Familie eindringen wird.«
    »Und ich wollte Sie gerade fragen, ob Sie, als Bekannter Nastasja
Filippownas, mich nicht heute abend bei ihr einführen könnten. Ich muß
heute unter allen Umständen hingehen; ich habe da etwas zu tun, aber
ich weiß schlechterdings nicht, wie ich Einlaß finden kann. Ich bin ihr
zwar vorhin vorgestellt; aber sie hat mich nicht eingeladen, und es ist
dort heute eine Abendgesellschaft nur für geladene Gäste. Ich bin
übrigens bereit, mich über mancherlei Vorschriften des
gesellschaftlichen Verkehrs hinwegzusetzen und mich sogar auslachen zu
lassen, wenn ich nur irgendwie hineinkomme.«
    »Sie haben da vollständig, aber auch vollständig meinen eigenen
Gedanken getroffen, mein junger Freund«, rief der General ganz
begeistert. »Ich habe Sie nicht wegen dieser Kleinigkeit herrufen
lassen«, fuhr er fort, indem er die fünfundzwanzig Rubel nahm und in
die Tasche steckte, »sondern gerade um Sie zu einem gemeinsamen Besuch
bei Nastasja Filippowna oder, besser gesagt, zu einem gemeinsamen
Feldzug gegen Nastasja Filippowna aufzufordern! General Iwolgin und
Fürst Myschkin! Was wird sie dazu für ein Gesicht machen! Mit Rücksicht
auf ihren Geburtstag werde ich in liebenswürdigster Form schließlich
doch meinen Willen zum Ausdruck bringen, indirekt, nicht so
geradeheraus; aber die Wirkung wird dieselbe sein, wie wenn ich
geradeheraus spräche. Dann mag Ganja sich selbst entscheiden, wie er
sich verhalten will: auf der einen Seite sein Vater, ein hochverdienter
und ... sozusagen ... und so weiter, auf der andern Seite ... Aber was
kommen muß, das komme! Ihr Gedanke ist außerordentlich
vielversprechend. Um neun Uhr wollen wir uns hinbegeben; wir haben noch
Zeit.«
    »Wo wohnt sie denn?«
    »Weit von hier: beim Großen Theater, im Haus der Frau Mytowzowa,
fast auf dem Platz selbst, in der Beletage. Es wird keine große
Gesellschaft da sein, obwohl es ihr Geburtstag ist, und die Gäste
werden frühzeitig aufbrechen ...«
    Es war schon längst Abend; der Fürst saß noch immer da und wartete
darauf, daß der General aufstehen würde; aber dieser begann eine
endlose Menge von Anekdoten zu erzählen, ohne eine einzige zu Ende zu
bringen. Bei der Ankunft des Fürsten hatte er

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