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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Ausdruck, den Sie da gebraucht haben!« versetzte Jewgenij Pawlowitsch. »Wie denken Sie darüber, Fürst? Ist es ein vereinzelter Fall oder nicht?«
    »Ich muß ebenfalls bekennen, daß ich nur wenige Liberale kennengelernt und nur wenig mit ihnen verkehrt habe«, antwortete der Fürst. »Aber es scheint mir, daß Sie vielleicht bis zu einem gewissen Grade recht haben und daß dieser russische Liberalismus, von dem Sie gesprochen haben, tatsächlich teilweise dazu neigt, Rußland selbst zu hassen und nicht nur dessen Einrichtungen. Natürlich wird das nur teilweise zutreffen... und kann natürlich nicht von allen Liberalen gesagt werden.«
    Er stockte und sprach seine Gedanken nicht weiter aus. Trotz all seiner Aufregung war ihm das Gespräch sehr interessant. Einen besonderen Charakterzug bildete bei ihm die große Naivität, mit der er immer zuhörte, wenn ihn etwas interessierte, und die nicht mindere Naivität, mit der er antwortete, wenn dabei Fragen an ihn gerichtet wurden. Diese Naivität, dieses Vertrauen, das keinen Spott und keine scherzhafte Erwiderung von Seiten des andern befürchtete, spiegelten sich in seinem Gesicht wider und kamen sogar in seiner Körperhaltung zum Ausdruck. Aber obgleich Jewgenij Pawlowitsch sich sonst immer nur mit einem besonderen Lächeln an ihn wandte, so blickte er ihn jetzt bei dieser Antwort doch sehr ernst an, als ob er eine solche Antwort von ihm in keiner Weise erwartet hätte.
    »So... aber das ist doch seltsam«, sagte er. »War diese Antwort wirklich ernst gemeint, Fürst?«
    »Hatten Sie denn nicht im Ernst gefragt?« erwiderte dieser erstaunt.
    Alle lachten.
    »Trauen Sie dem!« sagte Adelaida. »Jewgenij Pawlytsch hat immer alle Leute zum besten! Wenn Sie wüßten, was für Dinge er manchmal mit dem größten Ernst erzählt!«
    »Meiner Ansicht nach ist das Gespräch peinlich, und wir hätten es gar nicht anfangen sollen«, bemerkte Alexandra in scharfem Ton. »Wir wollten doch spazierengehen...«
    »Gehen wir! Der Abend ist wunderschön!« rief Jewgenij Pawlowitsch. »Aber um Ihnen zu beweisen, daß ich dieses Mal ganz ernst geredet habe, und namentlich, um es dem Fürsten zu beweisen (Sie interessieren mich außerordentlich, Fürst, und ich schwöre Ihnen: ein so oberflächlicher Mensch, wie es notwendigerweise den Anschein hat, bin ich denn doch nicht, obwohl ich wirklich oberflächlich bin!), und... zu diesem Zweck, meine Herrschaften, möchte ich mit Ihrer gütigen Erlaubnis dem Fürsten noch eine letzte Frage vorlegen, aus reiner Neugier, und damit wollen wir dann die Sache abgetan sein lassen. Diese Frage ist mir, was sich sehr gut trifft, vor zwei Stunden in den Kopf gekommen (sehen Sie wohl, Fürst, auch ich denke manchmal über ernste Dinge nach); ich habe sie mir beantwortet, aber wir wollen sehen, was der Fürst dazu sagt. Es war soeben von einem ›vereinzelten Fall‹ die Rede. Dieser Ausdruck hat bei uns in Rußland eine große Wichtigkeit erlangt, und man hört ihn recht oft. Neulich redeten und schrieben alle Leute von jenem schrecklichen Mord, den dieser... junge Mann an sechs Menschen begangen hat, und von der seltsamen Rede des Verteidigers, in der dieser gesagt hat, dem Verbrecher habe bei seinen ärmlichen Verhältnissen naturgemäß der Gedanke in den Kopf kommen müssen, diese sechs Menschen zu ermorden. Das war wohl nicht der Wortlaut, aber der Sinn war doch dieser oder ein ähnlicher. Meiner persönlichen Ansicht nach war der Verteidiger, als er diese sonderbare Anschauung vorbrachte, der festen Überzeugung, den liberalsten, humansten, fortschrittlichsten Gedanken auszusprechen, den man nur überhaupt in unserer Zeit äußern kann. Nun also, wie verhält es sich damit Ihrer Ansicht nach: ist diese Verdrehung der Begriffe und Meinungen, die Möglichkeit einer so merkwürdig schiefen Auffassung der Sache ein vereinzelter Fall oder die Regel?«
    Alle lachten.
    »Ein vereinzelter Fall, selbstverständlich ein vereinzelter Fall!« riefen Alexandra und Adelaide lachend.
    »Mit deiner Erlaubnis möchte ich dich daran erinnern, Jewgenij Pawlytsch«, fügte Fürst Schtsch. hinzu, »daß dein Scherz schon sehr abgenutzt ist.«
    »Wie denken Sie darüber, Fürst?« fragte, ohne darauf zu hören, Jewgenij Pawlowitsch, der wahrnahm, daß ihn Fürst Lew Nikolajewitsch mit ernstem Interesse anblickte. »Was meinen Sie: war das ein vereinzelter Fall oder die Regel? Ich muß bekennen, daß ich mir diese Frage speziell für Sie zurechtgelegt

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