Der illustrierte Mann
Gastfreundschaft. Sie haben es ein wenig übertrieben. Auf die Beine jetzt, Männer. Auf, in die Stadt. Wir müssen ein paar kleine Garnisonen errichten, um sicher zu gehen, daß alles ruhig bleibt. Weitere Schiffe landen in anderen Städten. Wir haben hier unsere Pflicht zu erfüllen.«
Die Männer rappelten sich auf und starrten benommen in die Gegend.
»Vorwärts, marsch!«
Die weißen Sonnenblenden der kleinen Stadt lagen verträumt unter der flimmernden Hitze.
Der Tritt von Marsstiefeln dröhnte auf dem Asphalt.
»Seid vorsichtig, Männer!« flüsterte der Befehlshaber.
Sie gingen an einem Schönheitssalon vorbei.
Ein verstohlenes Kichern drang heraus.
»Seht!«
Ein kupferroter Kopf tauchte im Fenster auf und verschwand wieder. Ein blaues Auge blitzte lockend durch ein Schlüsselloch.
»Es ist eine Verschwörung«, flüsterte Ettil. »Eine Verschwörung, sage ich euch!«
Parfümdüfte mischten sich mit der Sommerluft, von wirbelnden Ventilatoren aus den Grotten herausgefächelt, in denen die Frauen sich verbargen, unter elektrischen Kegelhauben, die ihr Haar zu wilden Wellen und Türmen aufbauschten, mit listigen Augen, animalisch und verschlagen, mit neonrot gemalten Lippen.
»Um Gottes willen!« schrie Ettil, der seine Nerven plötzlich nicht länger im Zaum halten konnte. »Laßt uns in unsere Raumschiffe fliehen – nach Hause! Sie werden uns überrumpeln – diese furchtbaren Geschöpfe da drin!«
»Ruhig!«
Seht nur, wie sie da sitzen, dachte er, wie sie ihre Kleider gleich kühlen grünen Netzen über ihren schlanken Beinen raffen. Er schrie.
»Jemand soll seinen Mund halten!«
»Sie werden sich auf uns stürzen, mit Schokolade und dem Kinsey-Report bewaffnet, uns in Hollywood-Filme schleppen und uns mit ihren roten schmierigen Mündern taub reden! Seht nur wie sie auf ihren elektrischen Stühlen sitzen, hört ihre monoton singenden und summenden Stimmen! Würdet ihr wagen, da hineinzugehen?«
»Warum nicht?« fragte ein Marsmensch.
»Sie werden dich rösten, bleichen, dein Innerstes nach außen kehren! Dich zerbrechen, schichtweise aufspalten, bis du nichts anderes mehr bist als ein Ehemann, ein Arbeitssklave. Glaubst du, daß du ihnen gewachsen sein würdest?«
»Ja, bei den Göttern!«
Wie von fern klang eine Stimme zu ihnen herüber, eine hohe, schrille Frauenstimme: »Ist der in der Mitte dort nicht einfach süß?«
»Wirklich, die Marsmänner sind gar nicht so übel. Hätte nicht gedacht, daß sie auch nur Menschen sind«, hörten sie eine andere Stimme gedämpft aus dem Schönheitssalon herüberdringen.
»Heda, Holla! Marsmänner! Ahoi! «
Schreiend rannte Ettil davon ...
Zitternd saß er in einem Park. Er mußte immer daran denken was er gesehen hatte. Während er zu dem dunklen Nachthimmel blickte, fühlte er sich sehr einsam und verlassen.
»Hallo.«
Zu Tode erschrocken warf er den Kopf herum.
Eine Frau setzte sich neben ihm auf die Bank, phlegmatisch auf ihrem Gummi kauend. »Reiß nicht gleich aus; ich beiße nicht«, sagte sie.
»Oh«, erwiderte er.
»Woll'n wir ins Kino gehn?« fragte sie.
»Nein.«
»Na komm schon«, sagte sie. »Alle andern sind auch gegangen.«
»Nein«, antwortete er. »Habt ihr gar nichts anderes auf eurer Erde zu tun?«
»Ist das nicht genug?« Ihre blauen Augen weiteten sich argwöhnisch. »Was verlangst du denn sonst von mir – zu Hause sitzen, ein Buch lesen? Haha! Du bist großartig!«
Ettil starrte sie einen Moment lang an, bevor er etwas darauf entgegnete.
»Was tust du sonst noch?« fragte er.
»Autofahren. Hast du ein Auto? Du solltest dir ein großes neues Podler-6-Kabriolett anschaffen. Mensch, sind die Klasse! Ein Mann mit 'nem Podler-6 kann mit jedem Mädchen ausgehen, da halte ich jede Wette!« sagte sie und zwinkerte ihm zu. »Ich wette, du hast jede Menge Moneten – wo du doch vom Mars kommst und so. Ich wette, wenn du wirklich willst, kannst du dir auch 'nen Podler-6 kaufen und überall hinfahren.«
»Zum Kino vielleicht?«
»Was hast du dagegen?«
»Nichts – nichts.«
»Weißt du eigentlich, wie du daherredest, mein Lieber?« sagte sie. »Wie ein Kommunist! Jawohl, das ist genau die Art, die hier niemand vertragen kann. Bei Gott! Stimmt doch alles mit unserm hübschen alten System. Haben wir euch Marsleute etwa nicht freundlich aufgenommen, ohne euch auch nur das kleinste Härchen zu krümmen, wie?«
»Das ist es ja, was ich zu verstehen versuche«, antwortete Ettil. »Warum habt ihr uns
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