Der illustrierte Mann
hereingelassen?«
»Weil wir weitherzig sind, mein Lieber; das ist der Grund! Vergiß das nicht – weitherzig!« Sie ging fort, um sich nach einem anderen umzusehen.
Ettil nahm seinen ganzen Mut zusammen und begann, einen. Brief an Tylla zu schreiben.
›Liebe Tylla –‹
Doch wieder wurde er gestört. Ein kleines altes Weib mit einer Gestalt wie ein Mädchen und einem runden, faltigen Gesicht schüttelte ein Tamburin unter seiner Nase, so daß er sich gezwungen sah, aufzublicken.
»Bruder«, schrie sie mit glänzenden Augen, »bist du schon gerettet?«
»Bin ich in Gefahr?«
Ettil ließ seinen Federhalter fallen und sprang auf. »In furchtbarer Gefahr!« jammerte sie, ihr Tamburin schwingend und zum Himmel hochblickend. »Du brauchst die Rettung, Bruder, dringender als alles andere auf der Welt!«
»Ich glaube fast, du hast recht«, bemerkte er zitternd.
»Wir haben heute schon Unzählige gerettet. Ich allein habe drei von euch Marsleuten gerettet. Ist das nicht fein?« Sie grinste ihn an.
»Ich glaube schon.«
Sie wurde äußerst argwöhnisch. Flüsternd beugte sie sich vor: »Bruder«, wollte sie wissen, »bist du schon getauft?«
»Ich weiß es nicht«, flüsterte er zurück.
»Du weißt es nicht?« schrie sie, ihre Hände mit dem Tamburin zum Himmel reckend.
»Ist das wie erschossen werden?« fragte er zurück.
»Bruder«, sagte sie, »du bist sündig und verdorben. Schuld daran ist wahrscheinlich, daß du in Unwissenheit erzogen worden bist. Bruder, du mußt dich taufen lassen, wenn du glücklich werden willst.«
»Werde ich dadurch selbst auf dieser Welt hier glücklich werden?« fragte er.
»Verlange nicht einen mit allem gedeckten Tisch«, erwiderte sie. »Sei mit einem trockenen Stück Brot zufrieden, denn es gibt noch eine andere Welt, in die wir alle kommen werden, viel besser als diese.«
»Ich kenne diese Welt«, sagte er.
»In ihr herrscht Frieden«, sagte sie.
»Ja.«
»Sie verheißt uns Ruhe.«
»Ja.«
»Und Milch und Honig fließen dort.«
»Oh, ja!« sagte er.
»Und alle sind fröhlich.«
»Jetzt sehe ich sie vor mir.«
»Eine bessere Welt«, sagte sie.
»Viel besser«, stimmte er zu. »Ja, der Mars ist ein herrlicher Planet.«
»Bursche«, sagte sie, herumwirbelnd und ihm fast das Tamburin ins Gesicht schlagend, »willst du mich verspotten?«
»Aber nein.« Er war bestürzt und verlegen. »Ich dachte, du sprächest von ...«
»Nicht von deinem sündigen, verdorbenen alten Mars! Ich will dir mal was sagen: du gehörst zu den Typen, die im Fegfeuer schmoren müssen, die sich in Qualen winden werden und deren Haut unter der Folter zu schwärenden Wunden aufbrechen wird ...«
»Ich muß zugeben, die Erde ist nicht besonders schön. Du hast sie sehr treffend beschrieben.«
»Nun treibst du schon wieder deinen Spott mit mir!« schrie sie.
»Nein, nein – bitte. Ich bin nur unwissend.«
»Na schön«, sagte sie, »du bist ein Heide, und Heiden haben kein Benehmen. Hier hast du eine Karte. Komm morgen abend zu dieser Adresse und laß dich taufen und glücklich machen. Willst du?«
»Ich will's versuchen«, erwiderte er zögernd.
Tamburinschlagend und in höchsten Tönen singend: »Glücklich bin ich, ich bin immer glücklich«, zog sie die Straße hinunter. Verwirrt wandte Ettil sich wieder seinem Brief zu.
›Liebe Tylla,
unvorstellbar, daß ich mir in meiner Naivität einbilden konnte, die Erdmenschen würden mit Bomben und Geschützen zu einem Gegenangriff starten! Nein, nein. Ich habe mich geirrt. Hier gibt es keinen Rick oder Mick oder Bannon – diese Kraftprotze, die Welten vor dem Untergang retten. Nein.
Wir sind hier blonden Robotern mit rosa Plastikkörpern begegnet, lebendig, aber trotzdem irgendwie unwirklich, automatisch in all ihren Reaktionen, die ihr ganzes Leben in Höhlen verbringen. Ihre Hinterteile haben einen unglaublichen Umfang. Ihre Augen blicken starr und bewegungslos vom endlosen Anschauen weißer Wände mit bewegten Bildern. Ihre einzigen Muskeln scheinen in ihren Kinnbacken zu liegen, da sie damit ununterbrochen Kaugummi mahlen.
Und nicht nur dies ist schlimm, liebe Tylla, sondern diese ganze Zivilisation, in die man uns geworfen hat wie eine Schaufel Sandkörnchen in einen Zementmixer. Nichts wird von uns übrig bleiben. Wir werden vernichtet werden, nicht von ihren Geschützen, sondern von ihrer Leutseligkeit ...‹
Jemand schrie auf. Ein Krachen, ein Bersten – Stille.
Ettil sprang auf und ließ seinen Brief. Auf der
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