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Der illustrierte Mann

Der illustrierte Mann

Titel: Der illustrierte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Posten unter der Hand zuschanzen. Nun ja ...«
    »Ich brauche neue Maschinen. Dafür habe ich gespart.«
    »Ich kann's verstehen.«
    »Wenn ich Ihr Raumschiff kaufte, könnt' ich's noch nicht einmal einschmelzen. Mein Aluminiumofen ist letzte Woche in die Brüche gegangen ...«
    »Ach so.«
    »Ich könnte nichts mit dem Raumschiff anfangen, wenn ich es Ihnen abkaufte.«
    »Ich verstehe.«
    Fiorello blinzelte und schloß einen Moment lang die Augen. Als er sie wieder öffnete, blickte er Mr. Matthews entschlossen an. »Aber ich bin ein großer Narr. Ich will trotzdem mein Geld von der Bank holen und Ihnen geben.«
    »Wenn Sie das Schiff aber doch nicht einschmelzen können ...?«
    »Liefern Sie's an!« sagte Fiorello.
    »Na schön, wenn Sie wollen. Heute abend?«
    »Heute abend würde mir's gut passen«, sagte Bodoni. »Ja, heute abend möchte ich ein Raumschiff besitzen.«
     
    Der Mond schien hell. Groß und silbern lag das Raumschiff auf dem Schrottplatz. Das Weiß des Mondes und das bläuliche Licht der Sterne spiegelten sich in ihm. Bodoni schaute es sich von allen Seiten an und schloß es in sein Herz.
    Wie gebannt starrte er zu dem schimmernden Rumpf auf. »Du gehörst jetzt mir«, sagte er. »Selbst wenn du dich nie bewegst oder Feuer spuckst, wenn du fünfzig Jahre lang bloß hier liegst und langsam verrottest – du gehörst mir!«
    Das Raumschiff roch förmlich nach Zeit und Unendlichkeit. Als er hineinkletterte, meinte er, in ein Uhrwerk zu steigen. Es war mit größter Präzision gearbeitet. »Ich könnte sogar hier drin schlafen«, flüsterte Fiorello aufgeregt.
    Er setzte sich in den Pilotensitz.
    Er legte einen Hebel herum.
    Mit geschlossenen Augen und zusammengepreßten Lippen begann es zu summen.
    Das Summen wurde lauter, gewaltiger, höher, schriller, wilder, fremdartiger, immer erregender, ließ ihn erbeben, drückte ihn nach vorn und riß ihn mitsamt dem Schiff in eine brausende Stille. Metall kreischte, während seine Fäuste über die Armaturen flogen und seine geschlossenen Augenlider flatterten, und das Summen wurde stärker und stärker, wurde zu einem Feuer, einer machtvollen Kraft, einem Beben und Stoßen, das ihn zu zerreißen drohte. »Start!« schrie er. Das donnernde Einsetzen der Rückstoßdüsen? Die Beschleunigung? »Der Mond!« schrie er mit blinden, geschlossenen Augen. »Die Meteore!« Lautloses Dahinsausen in überirdischem Licht? »Der Mars! Oh, mein Gott, der Mars!«
    Erschöpft und keuchend ließ er sich zurücksinken. Seine zitternden Hände glitten vom Armaturenbrett, und sein Kopf fiel mit einem Ruck zurück.
    Langsam, zögernd, öffnete er die Augen.
    Der Schrottplatz war noch da.
    Reglos saß er da und blickte eine Minute lang unverwandt auf die Altmetallhaufen. Plötzlich sprang er auf, zerrte an den Hebeln hämmerte auf die Knöpfe ein. »Starten, du verfluchtes Ding Willst du wohl starten!«
    Das Raumschiff rührte sich nicht, blieb stumm.
    »Ich werd's dir zeigen!« schrie er wild.
    Er sprang hinaus in die Nacht, stolperte zu seinem Schrotthammer. Der Motor brüllte auf, die furchtbare Maschine näherte sich dem Raumschiff. Rasselnd fuhren die mächtigen Gewichte hoch dem mondhellen Himmel entgegen. Mit flatternden Händen ergriff er die Hebel, um die Gewichte hinabsausen zu lassen, diesen falschen, überheblichen Traum zu zertrümmern, dieses dumme Ding zu zerfetzen, für das er sein gutes Geld hingegeben hatte – das sich nicht bewegen, seinen Befehlen nicht gehorchen wollte.
    »Ich will dich lehren!« schrie er.
    Doch seine Hände rührten sich nicht.
    Das Raumschiff schimmerte silbrig im Mondlicht. Und dahinter, in einiger Entfernung, blinkten die Fenster seines Hauses in warmem, gelben Schein. Leise wehte Radiomusik herüber.
    Eine halbe Stunde lang saß er so da, sah abwechselnd auf das Raumschiff und zu den erleuchteten Fenstern hinüber, und seine Augen verengten sich und wurden wieder weit. Er kletterte von seiner Maschine und ging auf die erleuchteten Fenster zu. Als er vor der Hintertür seines Hauses angelangt war, holte er tief Atem, öffnete und rief: »Maria, Maria! Pack unsere Sachen zusammen! Wir fliegen zum Mars!«
    »Oh!«
    »Ah!«
    »Das kann ich nicht glauben!«
    »Wart's nur ab, wart's nur ab!«
     
    Die Kinder standen auf dem windigen Platz, drängten sich um das schimmernde Raumschiff, reckten sich auf Zehenspitzen und wagten nicht, das glitzernde Metall zu berühren. Sie begannen zu weinen.
    Maria sah ihren Mann an. »Was hast du getan?«

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