Der illustrierte Mann
schrien begeistert durcheinander.
»Habt ihr mich auch richtig verstanden?« fragte er. »Nur einer von uns. Wer?«
»Ich, ich, ich!« schrien die Kinder.
»Du«, sagte Maria.
»Du«, entgegnete Fiorello.
Auf einmal verstummten alle.
Die Kinder begannen zu überlegen. »Laß Lorenzo fliegen – er ist der Älteste.«
»Nein, Miriamne – sie ist ein Mädchen!«
»Denk nur, was du zu sehen bekommen wirst«, sagte Maria zu ihrem Mann. Doch ihre Augen blickten fremd, und ihre Stimme zitterte. »Die Meteore, wie blitzende Fische. Das Weltall. Den Mond. Es müßte jemand fliegen, der uns nach seiner Rückkehr alles gut beschreiben kann. Du kannst so gut mit Worten umgehen.«
»Unsinn. Du doch auch«, widersprach er.
Alle zitterten vor Aufregung.
»Schaut her«, sagte Fiorello unglücklich. Aus einem Strohbesen brach er Halme von verschiedener Länge. »Wer den kürzesten zieht, hat gewonnen.« Er hielt ihnen das Bündel entgegen. »Zieht!«
Mit ernsten Gesichtern wählten sie der Reihe nach.
»Lang.«
»Lang.«
»Der Nächste.«
»Lang.«
Die Kinder waren fertig. Stille senkte sich über das Zimmer.
Zwei Halme hatte Fiorello noch in seiner Hand. Er fühlte einen Stich in seinem Herzen. »Maria«, flüsterte er, »du bist dran.«
Sie zog.
»Der kurze Strohhalm!« sagte sie.
»Ah«, seufzte Lorenzo, halb glücklich, halb traurig. »Mama fliegt zum Mars.«
Fiorello versuchte zu lächeln. »Gratuliere. Ich kaufe dir heut' noch deine Fahrkarte.«
»Warte, Fiorello ...«
»Nächste Woche kannst du starten«, murmelte er.
Sie sah die traurigen Augen ihrer Kinder auf sich gerichtet, das Lächeln unter ihren hübschen, geraden Nasen. Langsam reichte sie ihrem Mann den Halm zurück. »Ich kann nicht zum Mars fliegen.«
»Aber warum denn nicht?«
»Ich muß mich auf unser nächstes Kind vorbereiten.«
»Wie?«
Sie schlug die Augen nieder. »Es ist bestimmt nicht gut für mich, in diesem Zustand zu reisen.«
Er packte ihren Ellbogen. »Ist das wahr?«
»Zieht noch einmal. Fangt neu an.«
»Warum hast du mir das nicht vorher gesagt?« fragte er.
»Ich dachte nicht daran.«
»Maria, Maria«, flüsterte er und streichelte ihr Gesicht. Dann wandte er sich wieder den Kindern zu. »Zieht noch einmal!«
Paolo zog als erster und erwischte gleich den kurzen Halm.
»Ich fliege zum Mars! Ich fliege zum Mars«, rief er, vor Freude hüpfend. »Danke, Vater, danke!«
Die Geschwister traten zurück. »Fein für dich, Paolo.«
Paolo hörte unvermittelt auf zu lächeln und musterte seine Eltern und Geschwister. »Ich darf doch fliegen, nicht wahr?« fragte er unsicher.
»Aber ja.«
»Und ihr werdet mich auch noch genauso liebhaben, wenn ich zurück bin?«
»Natürlich, Paolo.«
Paolo betrachtete den kostbaren Strohhalm in seiner zitternden Hand. Dann schüttelte er den Kopf und warf ihn fort. »Ich hatte vergessen – die Schule beginnt bald. Ich kann nicht weg. Zieht noch einmal.«
Aber niemand wollte mehr ziehen. Traurig senkten alle die Köpfe.
»Keiner von uns wird fliegen«, sagte Lorenzo.
»Es ist besser so«, meinte Maria.
»Bramante hatte doch recht«, sagte Fiorello.
Während ihm das Frühstück noch schwer im Magen lag, arbeitete Fiorello Bodoni verbissen auf seinem Schrottplatz, riß Bleche und Eisen auseinander, schmolz das Metall ein und goß es in Barrenformen. Ausrüstung und Maschinen waren schon recht brüchig und veraltet, der scharfe Wettbewerb hatte ihn zwanzig Jahre lang immer am Rande der Armut gehalten. Es war ein sehr schlechter Vormittag.
Am Nachmittag betrat ein Mann den Schrottplatz und rief zu Bodoni hinauf, der auf seinem fahrbaren Schrotthammer saß: »He, Bodoni, ich habe eine Partie Metall für Sie!«
»Was ist es, Mr. Matthews?« fragte Fiorello lustlos.
»Ein Raumschiff. Was machen Sie denn für ein Gesicht? Wollen Sie's etwa nicht?«
»Doch, doch!« Er sprang von seiner Maschine und packte den Mann am Arm, beinahe sprachlos vor Verblüffung.
»Aber natürlich«, sagte Matthews, »ist es nur ein Modell. Sie wissen ja, wenn ein neues Raumschiff geplant wird, baut man erst ein naturgetreues Modell aus Aluminium. Sie können einen kleinen Profit machen, wenn Sie es einschmelzen. Für zweitausend laß' ich's Ihnen.«
Fiorello ließ die Hand fallen. »Ich hab' das Geld nicht.«
»Schade. Dachte, ich könnte Ihnen helfen. Als wir uns neulich unterhielten, erzählten Sie mir, daß die andern Sie immer beim Schrottkauf überbieten. Daher wollte ich Ihnen den ganzen
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