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Der im Dunkeln wacht - Roman

Der im Dunkeln wacht - Roman

Titel: Der im Dunkeln wacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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… Daniel sieht seinem Großvater so ungemein ähnlich … Ich glaube, Ivar kam dem Mädchen auf eine Art nahe, wie es einem Vater nicht erlaubt ist. Unziemlich.«
    Zum ersten Mal seit Beginn ihrer Unterhaltung blickten die Augen der alten Frau sehr ernst. Das neugierige Funkeln war verschwunden.
    »Ja, ich habe da wirklich das eine oder andere wiedererkannt«, sagte Alice leise.
    Sie betrachtete ihre rundlichen Hände, die gefaltet in ihrem Schoß lagen. Dann holte sie tief Luft.
    »Soviel zu seiner scheinheiligen Heuchelei und seinen Predigten von der ewigen Verdammnis!«
    Irene drängte sich das Gefühl auf, dass sie dies nicht unbedingt auf Ivar bezog, beschloss aber, die Sache lieber auf sich beruhen zu lassen und stattdessen ein anderes Thema anzuschneiden.
    »Hatte Daniel ein gutes Verhältnis zu seinem Großvater?«, wollte sie wissen.
    »Nein. Ivar bezeichnete ihn auch in seinem Beisein als Bankert und hatte nie ein gutes Wort für ihn. Aber ich weiß nicht, ob das Daniel sonderlich viel ausmachte. Dieser Junge war irgendwie immer ganz woanders. Man bekam nie Kontakt zu ihm. Er redete nie, und er spielte auch nicht mit anderen Kindern. Als Daniel älter wurde, war er oft mit Ivar zusammen. Er schraubte an seinem Fahrrad herum und später an seinem Moped. Das war vielleicht etwas Verbindendes. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass Daniel Ivar meiden würde. Aber Daniel ließ alles
über sich ergehen. Natürlich kam er auch mit der Schule nicht klar, ich glaube, er ging die letzten Jahre in irgendeine Spezialklasse. Immerhin schloss er die neunte Klasse ab. Mehr war dann nicht. Als er klein war, wünschte Signe, er würde Pfarrer werden, aber mit der Zeit erkannte selbst sie, dass dies undenkbar war. Aber sie vergötterte ihn. Sie beschützte ihn und verwöhnte ihn. Auch noch als er erwachsen war, trug sie ihm alles hinterher. Sie kaufte ihm sogar ein Auto von dem Geld aus Ivars Lebensversicherung, nachdem dieser gestorben war, obwohl sie es selbst so knapp hatte. Sie sagte, er benötige es für seine Arbeit als Parkarbeiter. Einen festen Job hat er, soweit ich weiß, nie gehabt.«
    Alice presste missbilligend die Lippen aufeinander. Sie gab sich keine Mühe zu verbergen, was sie von Daniel hielt. Ehe Irene noch eine weitere Frage stellen konnte, fuhr sie fort:
    »Die Trauer hielt sich bei beiden in Grenzen, als Ivar das Zeitliche segnete, aber für Daniel war es vermutlich ein schwerer Schlag, als Signe starb. Aber wie immer ließ er sich nichts anmerken. «
    »Haben Sie ihn nach Signes Tod getroffen?«
    »Ja. Bei der Beerdigung. Er sah sehr ungepflegt aus. Es gab auch anschließend kein Kaffeetrinken. Wir fuhren direkt nach dem Trauergottesdienst nach Hause.«
    »Waren viele Leute auf Signes Beerdigung?«
    »Nein, nur Daniel, meine Schwägerin und ich. Meine Schwägerin hat ein Auto. Wir sind also zusammen gefahren. Dann waren da noch drei ehemalige Arbeitskolleginnen von Signe.«
    Alice lächelte und hielt Irene noch einmal den Teller mit dem Gebäck hin. Irene lehnte ab, weil ihr einfiel, dass ihre Jeans in der Taille etwas eng saß.
    »Da ist noch etwas, worüber ich nachgedacht habe. Was für einen Beruf hatte Ivar?«, fragte sie.
    »Erst arbeitete er auf der Werft, aber als die stillgelegt wurde, begann er Fahrräder zu reparieren. Er hatte eine kleine Werkstatt,
in der er Fahrräder und Mopeds reparierte. Er war wirklich geschickt.«
    »Wollte Daniel denn nicht die Werkstatt übernehmen?«
    »Dazu taugte er nicht«, meinte Alice verächtlich.
    »Er war also nicht so geschickt?«
    »Nein. Die Gartenarbeit scheint ihm aber zu liegen. Er verrichtete die gröberen Arbeiten, Bäumefällen und so. Er hat auch immer viel in der Gegend gearbeitet, in der er wohnt. Er hat dort die Bäume und Büsche beschnitten. Manchmal fährt er auch einen Rasentraktor. Ich erinnere mich, dass mir Signe das mal erzählt hat.«
    Irene spürte, dass es höchste Zeit war, ins Präsidium zurückzukehren. Sie erhob sich und bedankte sich bei Alice für ihr Entgegenkommen. In der Tür nahm die alte Dame Irenes Hand ganz fest in ihre, sah sie eindringlich an und sagte:
    »Sie finden es sicher furchtbar, dass ich so über meine eigenen Verwandten spreche. Aber sehen Sie, es ist wichtig, dass die Wahrheit an den Tag kommt. Ich bin so alt, dass ich mich nicht mehr vor der Wahrheit fürchte.«
    Mit diesen Worten ließ sie Irenes Hand los und schloss die Wohnungstür.

L aut Geburtsurkunde war sie gerade fünfzig geworden, aber auf

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