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Der im Dunkeln wacht - Roman

Der im Dunkeln wacht - Roman

Titel: Der im Dunkeln wacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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sich um eine Schwägerin, die Witwe von Alices und Signes Bruder. Signe und Alice hatten sich nur wenige Male im Jahr getroffen, wenn Signe mit ihrer Familie ihre Verwandtschaft besuchte. Alice Rapp hatte ihr ganzes Leben lang in Veddige gewohnt. Irene hatte sie angerufen und etwas von Unklarheiten betreffend Daniels Vater und dem Sorgerecht für Daniel erzählt. Er selbst habe diese Fragen nicht beantworten können, und sie würde gerne vorbeikommen, um alles zu klären … Sehr gerne, lautete die Antwort. Irene wusste, was sie erwartete: eine alte Frau, die sich langweilte und die froh war, sich eine Stunde lang unterhalten zu können und nicht allein sein zu müssen. Das war nicht weiter schlimm. So hatten sich im Laufe der Jahre schon viele Verbrechen aufklären lassen.
    Über die halländische Küstenautobahn erreichte Irene Veddige in einer guten halben Stunde. Problemlos fand sie das Haus, in dem Alice Rapp wohnte. Sie bewohnte eine Wohnung im Zentrum des Ortes. Alice Rapp war korpulent und Anfang achtzig. Ihre Dauerwelle war schon etwas ausgewachsen, und sie hatte
das Haar lange gebürstet, damit es etwas voller erschien. Dünn und weiß standen die Haare wie die Samen einer Pusteblume vom Kopf ab. Durch die dicken Brillengläser schauten klare, graublaue Augen. Sie begrüßte Irene mit einem erstaunlich festen Händedruck und führte sie dann in die Diele. Es duftete vielversprechend nach Kaffee, und Irene ging bereitwillig in ein übermöbliertes Wohnzimmer weiter. Überall lagen Kissen mit gehäkelten Überzügen und gehäkelte Deckchen. Sogar die Gardinen und der Teppich vor dem Fernseher waren gehäkelt. Irene hegte den Verdacht, dass Alice auch den Bettüberwurf und die Gardinen gefertigt hatte, die sie in dem sauberen und unberührten Schlafzimmer in Daniel Börjessons Wohnung gesehen hatte.
    Alice hatte einen Teller mit Zimtschnecken und Plätzchen auf dem niedrigen Couchtisch platziert. Neben dem Sonntagskaffeeservice stand eine Thermoskanne, die man in Irenes Kindheit als TV-Kanne bezeichnet hatte. Eine Amerikauhr tickte einschläfernd an der Wand. Es war halb elf, höchste Zeit für den Vormittagskaffee.
    »Bitte nehmen Sie doch Platz«, sagte Alice und deutete aufs Sofa.
    Sie ließ sich schwer auf einen Sessel fallen, auf dem ein großes, hartes Kissen lag. Offenbar hatte sie Hüftbeschwerden. Irene war ihr Hinken aufgefallen.
    »Ich weiß, warum Sie sich nach Daniel erkundigen wollen. Ich kaufe am Wochenende immer die Göteborgs Tidning und habe das Bild gesehen. Auch mein erster Gedanke war, dass es sich um Daniel handelt. Er sieht genauso aus wie sein Großvater. Signe und Daniel haben mich manchmal in den Sommerferien besucht. Ich habe ihn heranwachsen sehen. Verdächtigen Sie ihn etwa dieser Morde?«
    Alice sprach in breitem halländischem Dialekt, war aber trotzdem gut zu verstehen. Ihre wachen Augen beobachteten sie interessiert. Irene verspürte ein leises Unbehagen. Die Neugier der
alten Dame war so offensichtlich, und es schien ihr nichts weiter auszumachen, dass einer ihrer Verwandten eine Hauptfigur in der Ermittlung zweier Morde darstellte.
    »Nicht der Morde. Aber wir haben mit ihm gesprochen, weil ein Zeuge ihn in der Nähe … eines der Tatorte gesehen hat. Wir glauben, dass er etwas Wichtiges beobachtet haben könnte. Aber das Gespräch mit Daniel lief nicht sonderlich gut. Er ist etwas eigen …«
    Alice warf ihr einen scharfen Blick zu.
    »Eigen? Er ist vollkommen verrückt. Aber Signe hat immer gesagt, dass er normal ist und außerdem intelligent, dass er sich nur nicht ausdrücken kann. Er sei schüchtern. Das glaube ich nicht. Nehmen Sie doch eine Zimtschnecke. Aus der Kühltruhe, aber selbstgebacken«, sagte die alte Dame mit einem strahlenden Lächeln.
    Man soll sich von einem sanftmütigen Äußeren nicht täuschen lassen, dachte Irene. Sie scheint geistig noch voll da zu sein, außerdem ist sie sehr redselig.
    »Da er nun einmal nichts sagt …«
    Irene hielt inne, nahm eine Zimtschnecke von dem Teller, den man ihr hinhielt, und fuhr fort:
    »Er hat unsere Fragen nicht beantwortet. Beispielsweise über den Nachnamen seines Vaters …«
    »Das hätte er auch nicht gekonnt, selbst wenn er gewollt hätte. Marie hat nie erzählt, wer der Vater war. Wahrscheinlich wusste sie es selbst nicht«, sagte Alice verächtlich.
    »Aber Daniel sagte, sein Vater habe Per geheißen und sei bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen …«
    »Unsinn! Das hat er sich ausgedacht. Vielleicht

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