Der Implex
verschiedene Domäne begreifen kann, wenn man sie als etwas denkt, das unserem Willen, sie zu verstehen, etwas Intelligibles entgegensetzt – der Stein, der meinen Weg blockiert, also nicht will, was ich will, bekommt eben dadurch einen virtuellen eigenen Willen; die Abwesenheit von etwas, das unter einem Zweck steht, wie die menschlichen Gesetze, ist eben das oberste Gesetz der Natur, dessen durch Induktion erfahrbare Korrelate in ihrem eigenen Relationengespinst wir daher »Naturgesetze« nennen dürfen. Das banale Beharren darauf, daß es in der Natur keine Monate gibt und also auch keine Abfolge derselben, macht sich ohne Erkenntnisgewinn hart gegen die Wahrheit, daß im mitteleuropäischen Januar nun mal anderes Wetter herrscht als im August, egal, wie wir die Zeit einteilen und deren Teile nennen.
Die Induktion – in unserem Beispiel die Wetterbeobachtung im Lauf des Jahres – gehört zur Wissenschaft als ihr technischer Teil, ohne daß sie deshalb selbst Technik würde; die logische Unmöglichkeit der Induktion zu behaupten, wurde deshalb spätestens seit Popper bevorzugte Strategie aller Versuche, der Wissenschaft einzureden, sie sei auf Supplemente (religiöser oder anders normativer, philosophisch wissenschaftsmethodischer oder anders metatheoretischer) Art angewiesen; das Eigeninteresse der Angreifer (etwa Kompensation von Statusängsten, Furcht vor Mittelkürzungen und Minderwertigkeitsgefühlen, die leicht aufkommen können, wenn die intellektuellen Leistungen der Wissenschaften anders als diejenigen Poppers, Kuhns, Galisons, Latours et tutti quanti außer klugen Büchern auch noch Transistorradios, Herzverpflanzungen, Teflonpfannen, Atombomben abwerfen) reimte sich dabei ganz gut auf Begehrlichkeiten staatlicher und ökonomischer Machtträger, die lästige Wissenschaftsautonomie wenigstens ein bißchen heteronomer zu handhaben, wenn man dabei auch nie so weit gehen wollte wie Stalin bei seiner höchst unrätlichen Lyssenko-Unterstützung – sollten sie also ruhig weiter selbst bestimmen, was sie forschten, aber Bemühungen, Fakultäten zu profit centers und naturwissenschaftliche Ausbildungsstätten zu »Wissensfabriken« zu erklären, die sich dem controlling zu öffnen hätten, können nur zum Erfolg führen, wo man den vorgesehenen Opfern genügend Demut beigebracht hat, durch eine Lehre, die ihnen eintrichtert, daß sie keineswegs einen besonderen, weil eben induktiven Zugang zur Welt hätten, der sie vor anderen (eben religiösen, philosophischen etc.) auszeichnet und ihnen deshalb das Joch der Heteronomie erspart, in das sich alle andern Welterklärerbranchen fügen. Die meisten der zu Disziplinierenden haben das inzwischen geschluckt; die Methodenlehre sieht danach aus, und man muß schon sehr weit von den Zentren leben und äußerst eigensinnig sein, also Australier, um wie David Stove oder David Armstrong auf der Rationality of Induction zu bestehen – selbst dann allerdings bringt man keinen positiven Beweis der Induktionsgeltung zuwege, sondern höchstens im Wittgensteinschen Sinne Therapeutisches, indem man etwa Beispiele dafür versammelt, daß die übelste Fehlerquelle in der logischen Wahrscheinlichkeitstheorie, der nicht-deduktiven Logik und möglicherweise aller Logik überhaupt die Tendenz zum Formalismus ist, das heißt die Neigung, Begründungen für etwas auszuarbeiten, was, um mit Wilfrid Sellars zu sprechen, den Raum des Begründbaren und des Begründens gerade als Schnittstelle, also Trennendes wie Verbindendes, vom Raum der Ursachen und Wirkungen scheidet. Diese Probleme auch nur halb so tief und gründlich zu behandeln, wie Stove das in seinem Meisterwerk The Rationality of Induction 1986 getan hat, fehlen uns hier sowohl der Raum wie die Begabung; wir werden aber auf den sozialen und historischen Sachverhalt, der sie explizit gemacht hat, im sechzehnten Kapitel dieses Buches noch einmal gesondert (und darum auch ausführlicher als hier) eingehen.
IV.
Wheelers choreographisches Gleichnis
Am Ausgang des Mittelalters ließen sich erkenntniskritische Scharmützel wie das eben umrissene als Kampf der Schöpfer einer neuen Welt gegen die feudale Reaktion, als Auseinandersetzung wahrer mit falschen Aussagen, als Ringen Galileis mit der Kirche in der Heliozentrizitätsfrage formulieren; der berühmte Kardinal Bellarmin, der Galilei nahelegte, er solle seine Propositionen doch einfach als Hypothesen mit schlicht pragmatischem Nutzen darstellen und die Metaphysik dazu
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