Der Implex
träumen, wenn sie, in der eigenzeitlichen Trägheit des Transportmittels nicht recht sicher geborgen, aber doch ohne Hoffnung auf Ausstieg darin eingeschlossen, schlafend durch die Nacht geschossen werden. Wir sind nämlich soweit, ein bißchen mehr als bisher darüber zu verraten, wie der Implex aussieht, den wir meinen, wenn wir von sozialem Fortschritt reden.
II.
Die Beharrlichkeit verjagter Feen
Für E.T.A. Hoffmann war das Gründungsverbrechen der kapitalistischen, der modernen, der bürgerlichen Welt nicht die ursprüngliche Akkumulation, nicht die Enteignung der Kleinproduzenten, das Ansaugen andernfalls Chancenloser vom Land in die Fabriken, die Kinder- und Frauenarbeit, die Schuldgefängnisse, die einkalkulierten Arbeitsunfälle, die entrechtete neue Arbeit in den schmutzigen, gefährlichen, giftigen hohen Hallen der Industrie, sondern die Vertreibung der Feen.
Zahlreiche romantisch gestimmte Seelen sahen das ähnlich und sehen es bis heute so. John Keats hat sich beschwert, Sir Isaac Newton habe ihm mit seinen Opticks den Regenbogen kaputterklärt, sehr viel ist überhaupt darüber geschrieben und geredet worden, daß die Aufklärung den Dingen die Rätsel ausgetrieben und die Unendlichkeit zur Berechenbarkeit verkürzt habe, daß die bourgeoise Selbstemanzipation gleichbedeutend gewesen sei mit der Auslöschung der Poesie und dem Siegeszug der Prosa. Max Weber hat den Vorgang die »Entzauberung der Welt« getauft und mit dem positivistischen Zug aller nachreformatorischen Weltaneignung gleichgesetzt. In Wirklichkeit aber beginnt die größte historisch je verzeichnete Blüte der unwirklichen Künste um 1750, als der neue Begriff der Wirklichkeit, den Bacon kodifiziert, Galilei und Newton operationalisiert hatten, allmählich die Weltwerdung der Welt ins Werk zu setzen begann. Erst als die erste Bürgerpflicht der Realismus geworden war, traten im Ästhetischen, von den esoterischsten Avantgarden bis zur Hollywood-Kulturindustrie, Irrealismus, Surrealismus, Subrealismus, Transrealismus in ihre Rechte, die sich zu denen des Mythos verhielten und verhalten wie das Naturrecht zur Natur. Die Massenkultur der Gegenwart, soweit sie Geschichten erzählt, stammt von Verne, Wells, Tolkien, Poe, Lovecraft.
Selbst die Romantik ist eine bürgerliche Erscheinung (und noch das reaktionärste, konservativste Denken seit der Französischen Revolution keine bloß beleidigt adlige oder ständische, sondern die Indienstnahme adliger und ständischer Attitüden durch Bürgerliches). Avantgarde wie Kulturindustrie gelangen an ihre narrativen wie symbolischen, ihre tropischen und diegetischen Quellen mittels Enteignung des Katzenjammers über jene »Entzauberung«. Der scheinbare Widerspruch (die Welt wird Sache unter Sachverhalten, die der Fall sein können, die ästhetische Weltbildnerei aber wird dabei alles andere als »sachlicher«) reicht bis in einzelne Werkbiographien, gerade der berühmtesten Phantasten: Was die USA seit 1980 waren, steht klarer als bei irgendwem bei Stephen King, der aber von Wirklichkeit nicht viel hält; wenige Realisten und Naturalisten haben mehr Daten darüber, wie die Industrialisierung die Welt veränderte, in Kunst aufbewahrt (also in Haltungen eingebunden, die sie für die seelische Weiterverarbeitung ergiebiger machen, als es jede soziometrische Aufstellung könnte) als Charles Dickens, der aber zugleich zu den größten Wiederverzauberern der Welt, die das hochbürgerliche Zeitalter gekannt hat (mit Hard Times schrieb er diesem Zeitalter sogar eine wütende, strenge Anklageschrift wider die realistische, ernüchternde Erziehung des Viktorianismus, wie sie kein Schwarmgeist empörter hätte entwerfen können).
III.
Auf welche Weise der Implex innen größer ist als außen
Die Wahrheit übers »Verschwinden der Magie« unter bourgeoisen Vorzeichen läßt sich leichter denken, wenn man unserem Vorschlag folgt, die Ummantelung des Neuen durchs verjüngte Alte, das Aufgehobensein des Alten im auskristallisierten Neuen als Interpenetrationsverhältnis von Implikationen und Explikationen zu lesen. Das hieße, McLuhan mit Benjamin, Benjamin mit McLuhan zu denken: Sowenig wie das Fernsehen den Film oder dieser das Theater hat töten können, sosehr mediale Neuerungen als Implex stets die Aussicht nicht allein auf »schöpferische Zerstörung«, sondern auf skalierbare Menü-Erweiterungen bergen (und damit natürlich mit Verlusten für Aspiranten auf Monopole drohen, im Ästhetischen also etwa
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