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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Welt holt, zu dem ja auch gehört, was Menschen sich wünschen, aber bislang nie hatten, das Leben ohne Angst und vermeidbares Leiden (dies, ein Vorgang in der Produktionsordnung, eine Selbstdurchdringung der Arbeitsteilung, steckt hinter Luhmanns berühmter »Ausdifferenzierung sozialer Subsysteme«: Für Künstler muß alles Kunst werden können, für Wissenschaftler den verfeinerten, verbesserten Baconschen Zugriffen erreichbar, wer die Tricks kennt, kann’s).
     
IV.
Weltgeburtsweisen von (und in) Fantastika
    Am Beginn der bürgerlichen Selbstemanzipation geht es noch darum, dem Denken, der Kunst und anderen lateral zur Unterscheidung »privat und öffentlich« die Kommunikation leitenden, von dieser erfaßten Produktionszweigen Autonomierechte zu erstreiten, vor allem gegen die ständischen Ideologiebedingungen: Man soll irreligiös spekulieren, forschen, Kunst machen dürfen. Das nicht Religiöse, nicht Ständische, ob es nun die reale Plurimondialität der Neuen Astronomie ist oder die Phantastik artifiziell-virtueller »neuer Sterne«, tritt zu Beginn noch durch seine Heterodoxie vermittelt als Ungeschiedenes auf, bei Giordano Bruno etwa und der Renaissance-Esoterik; aus dieser Ursuppe aber schält sich die Wissenschaft, erhebt sich die Tropenlandschaft Fantastika und der um sie eine neue sinnliche Geographie darstellende Kontinent der bürgerlichen Ästhetik.
     
    Wo Phantastik vorher, so sie nicht ohnehin verschweigen mußte, daß sie Phantastik war (und statt dessen behaupten mußte, sie handle von einer tieferen oder höheren Realität mit indirekter kirchlicher oder anderweitig mythotheologisch beglaubigter Lizenz), als eine Art ästhetischer Nachahmung des Traums, der Vision, der Schwärmerei und anderer kopfloser Ekstasen hatte auftreten müssen, trat in Fantastika das spekulative Element in den Vordergrund: Konstruktion, Ironie, bewußte Kalküle, positivistisch hergeleitete Logo-Offenbarung, aleatorisch gewitzigtes Möglichkeitsdenken im Abgeleiteten, kurz: gebrochene, ihrer Vermittlung durch die Immanenz innewerdende Transzendenz, die nicht nur das Irdische, sondern vor allem das Zeitliche überschreiten, überspannen helfen sollte, dem Historischen so imaginär überlegen wie dem Tellurischen. Auf diese Weise entstand im Vorlauf zur Aufklärung wie während deren kurzer Hochblüte eine umfangreiche und, was die ikonographisch und metapherngesäte Ausbeute angeht, die man bis in die heutige Kulturindustrie der Comics, Filme, Fernsehserien und Computerspiele aus ihr gezogen hat, offenbar abgründig tiefe Literatur. Die humanistischen Frühformen machten, wie in Giambattista Marinos L’Adone, interplanetarische Begegnungen zur Probe auf die These vom Menschen als Maß aller Dinge; bei Ariost, im Orlando Furioso, und bei Kepler, im »Somnium«, reiste man zum Mond; Cyrano de Bergerac beschrieb das Staats- und Gesellschaftssystem auf dem Erdtrabanten; Pikaresken, Satiren und Grotesken bereicherten die imaginäre Reiseschriftstellerei; der conceptual breakthrough eines lange vor den modalen Parallelweltuntersuchungen des Philosophen David Lewis und der Vielwelteninterpretation der Quantenmechanik durch Everett bereits multiversal angelegten Raumzeit- und Geschichtsbildes verfestigte sich zu Texten wie Pierre Borels Discours nouveau prouvant la pluralité des mondes (1557) (das Schlüsselwort im Titel dieses Werkes ist natürlich das verblüffende »prouvant«, die Beweiskette wurde zum Element des rhetorischen Arsenals der Fiktion, die Science-fiction war geboren) oder Bernard le Bovier de Fontenelles Entretiens sur la pluralité des mondes (1686).
     
    Der kopernikanische Kosmos als Alternativweltenreservoir und die für Ptolemäer undenkbare Idee, daß ganz woanders ganz andere ganz anders leben, ließ sich, das war kein schlechter Nutzen, auf den irdischen Kontext zurückspiegeln in terrestrischen Alternativgemeinwesen wie Campanellas Sonnenstaat, Bacons Neu-Atlantis oder dem in Utopia von Morus geschilderten, dessen Name derjenige der betreffenden literarischen Gattung wurde (auf dieser Insel siedelte auch Rabelais Literarisches an, der erste Fall von franchising und shared world-Praxis, die in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts dann sowohl im Swinging-London-Avantgardezusammenhang der »New Wave«-Science-fiction um Michael Moorcock wie bei den Pop-Kulturindustriellen von Marvel Comics wirksame Ergebnisse zeitigte). Die im Namen »Utopie« enthaltene Ausrede »Das geschieht

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