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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Modifikationen am menschlichen Organismus den Leuten erlaubt, Energie direkt aus Dreck und Licht, also Nahrung von der Sonne, aus dem Erdboden und von der Müllkippe zu beziehen, nach der Abschaffung von Hunger und Not eine ganze Klasse von Vergessenen entsteht – glückliche, genügsame, tierhaft selbstvergessene Bewohnerinnen und Bewohner aufgegebener Randzonen des Sozialen, an keiner politischen Entscheidung, die sie betrifft, mehr beteiligt, Leute, die einfach aus der Geschichte fallen, weil sie zwar nicht mehr durch Lohnarbeit, aber eben auch durch nichts anderes mehr sozialisiert sind. Will man, fragten wir, solche Menschen züchten, die von Abfallprodukten der Natur und der Geschichte bedingungslos versorgt werden, aber so leben, als gäbe es sie nicht? Wie gesagt: nachdenkliche Gesichter; die Kresssche Verfeinerung und Überarbeitung des bei Wells aufgemachten Spiels zwischen Eloi und Morlocks eignete sich vorzüglich als Dämpfer der Begeisterung für Schlaraffenlandreformen.)
     
V.
Eskapismus
    Daß man andere Welten betreten will, auch üble, sich wenigstens in sie hineinphantasieren, leuchtet natürlich selten mehr ein als in Zeiten, da, nach dem schon zitierten Wort Piwitts, selbst die Reichen mit ihrem Geld zwar überall hinkommen, aber nicht mehr raus. Auch die pluralité des mondes , erkannte man schließlich, ist leider selbst wieder nur EINE Welt: diejenige, in der die pluralité verwirklicht ist, und wenn das Ganze unwahr bleibt, hat man von der Vielfalt gar nichts. Eskapismus im emphatischen Sinn wird, sobald die induktive und die hypothetico-deduktive Methode einmal gefunden sind und so etwas wie Wissenschaft und Systematik existieren, logisch unmöglich, wenn damit das Entkommen, und sei es gedanklich, aus der Welt gemeint ist, wie sie sich von der Vernunft in Maßverhältnisse, in ratio, aufschlüsseln läßt: Sobald die Bürger von »vielen Welten« sprechen, und selbst dann, wenn sie, um diese wirklich inkommensurabel zu machen, das Gesetz aufstellen, jene könnten nicht miteinander wechselwirken, haben sie die Welt bestätigt, zu der alle diese Welten gehören müssen, damit man überhaupt von ihnen reden kann (es ist die bürgerliche). Was man vergleicht, selbst wenn man es damit grundsätzlich unterscheiden will, hat man in einen Zusammenhang gestellt, und wie sonst soll man den größtmöglichen dieser Zusammenhänge nennen als »Welt«?
    Die Unentrinnbarkeit dieses Tatbestandes ist der tiefste Grund dafür, warum so viele Künstler des Phantastischen, also Erfinder und Erkunder anderer Welten, sich auf Ausweglosigkeit verstehen wie kaum je ein Realist oder Naturalist. Von Kafka bis M. John Harrison lautet die Lehre der Anderländerfahrer: Hau nur ab, du kommst nicht davon –, John Clute über the bound fantastic, die Subgattung also, die wir von Kafka bis Harrison reichen sehen, in bewußter Überspitzung, die sich bei den Foucaultianern die Idee der epistemischen Abfolge neu erfahrener, neu gemachter Immanenz borgt, aber daraus eine Metapher macht, mit der, das zu Ändernde geändert, auch wir uns anfreunden können: »The literatures of the fantastic began consciously to evolve around 1750, just as the planet itself began to be understood as a mortal engine; (…) these literatures can be understood – and the figures human and inhuman who fill their pages can be understood as utterands (…) – of that sudden apprehension of the earth beneath our feet.« 133
     
    Es kommt von der immer wieder (zum Beispiel von Existenzialontologie und Existenzphilosophie) anthropologisch hypostasierten Konstitution des bürgerlichen Subjekts, daß dieses dazu neigt, Wechsel des Weltzugangs als Verwandlungen der Welt als solcher zu empfinden und zu beschreiben, zu denen diese Zugänge gesucht und gelegt werden: Der Zugangswechsel bedroht die Integrität des (Ver-)Handelnden durch seine Teilhabe an Gesellschaftsverträgen und Märkten, deshalb werden seine Folgen verräumlicht und verzeitlicht, ontologisiert und ins Öffentliche projiziert; Freud diskutiert das dann als Topik einander operativ befehdender Erfahrungsweisen namens »bewußt« und »unbewußt«, Vulgärfassungen sprechen, noch deutlicher in Zeit und Raum abgeschoben, gleich vom »Unterbewußtsein« (die Öffentlichkeit als solche ließe sich dem dann als »Oberbewußtsein« entgegensetzen; keine ganz verkehrte Übersetzung dessen wohl, was Teilhard de Chardin mit seiner »Noosphäre« gemeint haben dürfte). Der Verräumlichungstrick

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