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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Formen, endlich das Publikum, das Museum, die Kritik etc.
     
    Seither wiederholt sich auch das immer wieder, genau wie die Wahrheiten der unwirklichen Kunst. Letztere konnten nur deshalb so wichtig werden und am vorläufigen Ende immerhin den gesamten Bereich der Gebrauchskunst dominieren, weil ihnen – das heißt ihren klügsten Praktikern – das mit der Reflexion der Kunst auf ihre Mittel in den wirklichen Künsten klar ist und sie es ihrer eigenen Praxis anverwandeln können, weil sie in den besten Fällen sogar explizit machen können, was die anderen nur methodisch ihrer Arbeit introjizieren, da die Phantasten sich von vornherein nur für Wahrheit, nicht für Wirklichkeit oder Welt interessieren.
    Die unwirklichen Künste sind also nicht überholt, wie Adorno glaubt, sie sind aber auch nicht die Zukunft, wie manche Science-fiction-Fans denken, sie sind nur, wenn die Leute, die sie schaffen, wissen, was sie tun, über sich als Künste von vornherein aufgeklärter als die realistischen und die naturalistischen, die sich diese Aufklärung nur über emphatische Anbindung ihrer Werke an das Programm »Moderne« verschaffen konnten und können.
    Das ist alles, aber nicht wenig.
     
    Ein erster Schritt zu einer funktionalen unwirklichen Ästhetik, zu einer Wahrheitstafel der Wahrheiten, die Fantastika ermöglicht und die Fantastika ermöglichen, wäre, sich nicht mehr einschüchtern zu lassen von der erwähnten Adornostelle aus der Ästhetischen Theorie . Wenn man die Wertung (phantastische Kunst ist durch moderne überholt) nicht teilt, sondern funktionalisiert (Moderne heißt, daß sich die Arbeitsteilung zwischen realistischer und unwirklicher Kunst anders organisiert als vorher), kann man dann vielleicht auch wieder anerkennen, daß Adorno recht hat, wo er recht hat, nämlich auch an besagter Stelle, wenn er gegen den naiven, vorkritischen Versuch einiger Leute, von ihm geschätzte moderne Kunstwerke in einen gedachten phantastischen Kanon einzureihen, spöttisch schreibt, nur Literaturhistoriker könnten Kafka und Meyrink, nur Kunsthistoriker Klee und Kubin unter dieselbe Kategorie bringen.
     
    Wenn bei der Begriffsarbeit, die wir uns da vorstellen, nicht herauskommt, daß Kafka besser ist als Meyrink und Klee wichtiger als Kubin, ist etwas schiefgegangen. Schließlich soll ja auch rauskommen, daß King besser schreibt als Koontz und Buffy, the Vampire Slayer besser ist als »Charmed«.
    Ästhetik ohne Wertung ist Warentausch pur, auch wenn Ästhetik mit Wertung sich in die Gefahr begibt, Kaufempfehlung zu sein – das nimmt man in Kauf, der Wirklichkeit wegen.
IX.
The oldest game in the world
    Je nach Genre ist das Wahre, auf das die erzählerische Idee und das ästhetische Ereignis, in dem sie sichtbar wird, sich beziehen müssen, mal eher ein Mythenbestand, mal ein positives Wissen oder eine Hypothese aus dem Fundus der Naturwissenschaft, mal einfach die inzwischen entwickelte Tradition der Genres selber (Zeitmaschinenfiktionen beziehen sich ebenso eindeutig auf H.G. Wells wie auf die Zeitvorstellungen der modernen Physik) und, als Verallgemeinerung dieser letzten Option, irgendeine als ausreichend gegeben ausgewiesene moderne Tradition oder traditional gewordene Moderne, und schließlich spielt oft genug auch die persönliche Erfahrung und Erinnerung der Künstler an erlebte Inkongruenzen innerhalb der empirischen Welt in die Gestalt der Wahrheit mit hinein.
    So zufällig das Wahre im Abgleich all dieser nach stattgehabter gestaltender Arbeit schwer voneinander zu scheidenden Spender von Ideenkristallen zustande gekommen sein möge: die Strafe, die darauf steht, es zu verletzen, ist der Zerfall des Gebildes.
    Wie eisern eine Wahrheit dieser Art ein Subjekt auf sich festlegt, das sich in ihr bewegen und dadurch als ästhetisches Subjekt konstituieren will, zeigt allegorisch die Buffy -Folge Normal Again , in der Buffys Psychiater sie aus ihrer Wahrheit befreien will, die er »a fantastic world beyond imagination« nennt und verurteilt – mitsamt ihren »overblown, grand conflicts« sowie »an assortment of monsters, both imaginary and rooted in actual myth«.
    Es sind »alternate realities, nitwit« (Buffys Vampirbekannter Spike), ereignisförmige Ausgeburten der Wahrheit, die aus Buffy erst Buffy machen, Wirklichkeiten, in denen, wenn der Arzt recht hätte, die handelnden Personen, die Subjekte des Erzählten, Buffy,Xander, Willow, die Monster der Woche, auch Spike, nach des letzteren Worten nichts als

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