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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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gibt es; Donald Davidson hat ihre konziste Form entwickelt.
XII.
Davidsons Metaphernlehre
    Der Aufsatz heißt Was Metaphern bedeuten und stammt von 1978, eine der entscheidenden Stellen darin lautet:
    »Nun möchte ich eine etwas an Platon gemahnende Problematik zur Sprache bringen, indem ich Metaphernbildung und Lügen miteinander vergleiche. Diese Gegenüberstellung ist durchaus angebracht, denn das Lügen betrifft – ebenso wie die Bildung einer Metapher – nicht die Bedeutung der Wörter, sondern ihren Gebrauch. Manchmal wird behauptet, aus einer Lüge folge logisch etwas Falsches. Das stimmt aber nicht. Zum Lügen ist keineswegs erforderlich, daß das, was man sagt, falsch ist, sondern daß man glaubt, es sei falsch. Da das, was wir glauben, gewöhnlich keine falschen Sätze sind, sondern wahre, sind die meisten Lügen falsche Aussagen; doch das ist jeweils nur durch Zufall so. Die Gleichartigkeit von Metaphernbildung und Lügen wird hervorgehoben dadurch, daß derselbe Satz zu diesem wie zu jenem Zweck verwendet werden kann, ohne daß sich an der Bedeutung etwas ändert.« 142
    Das sprachphilosophisch Revolutionäre an Davidsons Vorschlag, Metaphern zu beschreiben, steckt in der kleinen Nußschale des wittgensteinianischen Gedankens, die Entstehung einer Metapher berühre » nicht die Bedeutung der Wörter, sondern ihren Gebrauch «.
     
    Wer je darüber nachgedacht und die entsprechende Literatur studiert hat, fragt sich ja irgendwann unweigerlich, was das eigentlich sein soll, »übertragene Bedeutung«, worin sie sich vom Vergleich unterscheidet, welche komische zweite, ganz im Sinn dieses Essays: unwirkliche Welt da angeblich aufgemacht wird, wo die – im Hirn und im Kosmos – eigentlich liegen soll. Wer sich das fragt, fällt mitten zwischen Probleme und kommt aus den Problemen nicht mehr raus, jedenfalls nicht mit Worten: Denn eine kognitive Sondersphäre von Zusatzbedeutungen für Metaphern macht die Welt einfach unnötig komplizierter. Gibt es, wenn man einen Mann ein »Schwein« nennt, auf einmal zwei Schweine, so wie es zwei Schlösser gibt (das fürs Burgfräulein und das an der Tür)? Warum hat man dann beide Male nur das eine, grunzende vor Augen? Gibt es also doch nur eins? Aber warum hat man dann trotzdem das Gefühl, einen Mann ein Schwein zu nennen, sei was anderes, als ein Schwein ein Schwein zu nennen? Davidson löst diese ganze gequälte Gewundenheit auf die denkbar eleganteste Art auf: Es ist beide Male dasselbe Schwein gemeint, die Bedeutung ändert sich nicht, nur der Gebrauch – im einen Fall will ich erreichen, daß meine Zuhörer eine Beobachtung über das Schwein erfahren, im anderen Fall, daß sie sich bestimmte Gedanken über den Mann machen.
     
    Metaphern, heißt das, sind wörtlich so gemeint – sie werden nur nicht so benutzt, wie sie gemeint sind. Und genau in diesem Sinn sind auch die Schlüsselfiguren der unwirklichen Kunst Metaphern – »our vampires, ourselves« (Nina Auerbach).
    Denn es stimmt eben nicht, was uns, als platte Behauptung sogenannter »Analysen« unwirklicher Kunst, wie sie eingangs dieses Essays erwähnt werden, immer so geärgert hat, daß der Außerirdische auf dem Schrottplatz in Star Wars, Episode 1 einfach »den Juden« meint oder die Gestrandeten in Alien Nation mexikanische Einwanderer.
    Sie meinen, was sie sind: einen Außerirdischen und Gestrandete auf einem fremden Planeten. Nur die Konsumenten, die Betrachter, die Kritiker können sie dann verwenden, um soziale Phantasien zu entwickeln oder zu artikulieren, aber das ist etwas ganz anderes als »ihren Daseinsgrund aufdecken« oder »das Gemeinte entschlüsseln«.
     
    So mag denn richtig sein, daß Vampire in neuerer urban fantasy für Arbeitslose, Obdachlose, Drogenabhängige stehen, wie sie bei Stoker für bestimmte Grauenhaftigkeiten der englischen Gesellschaft standen oder die Zombies in Romeros frühen Living Dead -Filmen für enthirnte Konsumenten; genauso richtig ist aber, daß in der besten urban fantasy, zum Beispiel den Sonja Blue -Vampirromanen von Nancy Collins, denen das modische Twilight -Zeug der jüngeren Vergangenheit atemlos hinterhergeschrieben ist, die Arbeitslosen, Obdachlosen und Drogenabhängigen neben den Vampiren durchaus vorkommen, ganz wie die zeitgenössische Gesellschaft bei Stoker und die Konsumenten bei Romero: Die Metaphern stehen in Vermittlungen, nicht einfach als Ersatz für etwas, das nicht selber ausgesprochen wird und nur »im übertragenen Sinne«

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