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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Umfeld der Debatten um sein »Übergangsprogramm« der Vierten Internationale wandte er sich direkt gegen Anhänger, die sich gegen eine weitere Verteidigung der UdSSR aussprachen, weil die in jener die Staatsgeschäfte führende Bürokratie eine neue herrschende Klasse sei. Daß sie das werden könnte, mutmaßte er allerdings immer wieder auch selbst – der Gedanke muß für einen Marxisten tröstlich sein, daß seine Feinde nicht bloß Parteigegner, sondern richtige Klassenfeinde sind).
     
    Ein Trotzkist war es jedenfalls auch, der das Durcheinander in den kapitalistischen Westen importierte und die Tür für eine in soziologisch und parasoziologisch parlierenden Kreisen bis heute nicht verstummte beredte Wirrnis aufstieß: Zu der Zeit, da auch in den Köpfen Adornos und Horkheimers die Theorie Gestalt annahm, das westliche und das östliche System müßten notwendig zu ein und derselben »verwalteten Welt« konvergieren, in der die Entscheidungsgewalt über Produktion, Zirkulation, Distribution weniger bei Eignern als vielmehr bei Reglern liegt, formulierte James Burnham, politisch erzogen in der auf Trotzki verpflichteten amerikanischen »Socialist Workers Party«, die These, das, was jene verwaltete Welt hervorgebracht habe, sei eine Revolution gewesen – die Managerial Revolution , wie das Buch von 1941 heißt, das die wenigsten gelesen haben, die heute glauben, das Geschick der Menschheit werde von Leuten mit Headsets im siebzehnten Stock von Bankgebäuden entschieden und die Befehlsgewalt übers große kapitalistisch-monopolistische Ganze habe sich, man weiß nicht, wie, vom Zylinder-und-Taschenuhr-Kapitalisten des Liberalismus über die Aufsichtsräte der großen Aktiengesellschaften zu den Managern (etwa denen der größten Hedgefonds) verschoben – was in vielerlei Hinsicht stimmt –, und damit sei eine neue herrschende Klasse an die Macht gelangt – was nur stimmt, wenn man den Klassenbegriff viel persönlicher faßt, als die Kapitalwirtschaft erfordert: Es herrschen nach wie vor diejenigen, die über Geld verfügen, das genügend Masse hat, um im Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion und erweiterten Reproduktion zu mehr Geld gemacht zu werden; daß auch ein paar Manager unter diesen sind, ist so trivial wie die Machtteilhabe des Klerus im Feudalismus, das europäische Mittelalter war keine kontinentweite Theokratie, sondern nach wie vor eine Ordnung der Landbesitzenden, und Geschichten darüber, daß die besagten Finanzmanager zu prassen und zu prunken verstehen – Louis Bacon, Gründer von Moore Capital, veranstaltet Fasanenjagden; Steven Cohen, Chef von SAC Capital, verschönert sein Anwesen mit einem Basketballplatz, einem Hallenbad, einer Eisbahn, einem Golfplatz, hängt sich Bilder von Van Gogh und Pollock auf und richtet sich ein Privatkino ein, an dessen Decke die Sternenkonstellation seiner Hochzeitsnacht aufgemalt ist; Cliff Asness, einst Jungstar bei Goldman Sachs, dann lone gunman, sammelt alle Superhelden-Action-Figuren, die er kriegen kann –, verschlägt nichts daran, daß im Kapitalismus die Schieber und Investoren Funktionäre eines automatischen Subjekts sind, das von »Revolutionen« wie der von Burnham erfundenen jedenfalls nicht auf die Guillotine geschickt wird. Auch die Satrapen früherer Souveräne wußten ihre Goldbadewannen und gegrillten Nachtigallenherzen zu schätzen. Wer indes unter »Kapitalisten« und »Monopolisten« einfach »reiche Leute« versteht, wird nicht tiefer in die Geheimnisse von ökonomisch vermittelter Herrschaft eindringen als der berühmte »Linke Flügel« der NSDAP um jenen Gregor Strasser, der sich einerseits »Sozialist« und »Nationalrevolutionär« nannte und andererseits brav Habacht stand, wenn die Industriellensponsoren der »Deutschen Führerbriefe« in die Hundepfeife bliesen.
     
    Bekanntlich hat die auf Marx und Engels zurückgreifende Tradition für das einen Namen, was »Revolutionäre« wie Strasser betreiben, nämlich die gewalttätige Arbeit an der Befestigung des Bestehenden, indem man etwa in Strassers Fall die antagonistischen Klassen mit Propaganda (als Reichspropagandaleiter war Strasser Vorgänger seines Ziehsohns Goebbels, der ebenfalls mit Sozialistischem geflirtet hatte und, Groteske am Rande, noch in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs den Entwurf einer Steuerreform für die Zeit nach dem Krieg als »zu unsozial« ablehnte) und Peitsche zur Volksgemeinschaft zusammenfaßt: solche »Revolutionen von oben«,

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