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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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geht, ist eine »Wiederkehr des Verdrängten«, so nett sich das anhört. Im Gegenteil: Linda Badley, schlaue Horrorkritikerin und verdiente Populärkulturforscherin, hat in ihrem Buch Writing Horror and the Body über Stephen King, Clive Barker und Anne Rice sehr richtig bemerkt, daß ihrer Meinung nach moderner Horror nichts mit vulgärfreudianischen Dampfkesselmodellen der Libidodynamik, einiges dagegen mit dem zu tun hat, was Michel Foucault den »Verlust der Repressionshypothese« getauft hat. Dieses Schlagwort meint den Umstand, daß wir nicht mehr, wie noch zu Freuds großer Zeit, ohne weiteres daran glauben, daß es irgend etwas Unterdrücktes in uns gebe, das wir nur freilassen müssen, und schon ist alles in Ordnung beziehungsweise wenigstens doch psychisch gesund. Insofern ein Blick ins Nachtprogramm von RTL zeigt, daß da längst Dinge freigelassen werden, vor deren Hintergrund Freud wie ein wohlwollender Biologielehrer wirkt, der uns mahnt, es bitte nicht zu übertreiben, klingt die Idee, Repression sei von gestern, ganz einleuchtend (auch wenn man sich nun umgekehrt nicht gleich zum Foucaultschen Masterplan bekennen sollte, wonach Sexualität in abgeleitetem Verhältnis zu etwas steht, das der Franzose pauschal »Macht« nennt: »Ficken und Unterwerfen« ist als Blaupause des großen Ganzen auch nicht schlauer als »Eros und Thanatos«).
    Daß der Glaube ans Ausleben und Freilassen in Zeiten von Bildzeitung und Aids nicht mehr so recht überzeugen will, leuchtet ein; von da aus geht nun Badley aber einen schönen Schritt weiter als ihr französischer Meister: Die Schwächezustände, Zuckungen, Spasmen, Übelkeiten und sonstigen körperlichen Erfahrungen der negativen, nach den Regeln des Hedonismus eigentlich zu vermeidenden Art haben, so meint sie, etwas Erlösendes und auf von der Freudschen Repressionstheorie nicht erfaßbare Art »Befreiendes« in Zeiten, da insgesamt nicht Schmerz, nicht Züchtigung und explizite Gewalt, sondern dumpfe Angst die Menschen bannt – etwa vor Dauerarbeitslosigkeit oder Arbeitsplatzverlust, vor neuen Krankheiten wie Rinderwahn, Ebola und Aids, vor Börsenkrach und anderen, immer gesellschaftlich vermittelten Weltuntergangsszenarien.
     
    Davon, daß und wie der uncoole Schmerz (die Verletzung und Vergewaltigung) von dem alle glauben und täglich überall eingeredet bekommen, er lauere schon um die nächste Ecke, endlich wirklich kommt, davon also, was passiert, wenn der Mann unterm Bett endlich darunter hervorkriecht und mir endlich den Kopf abreißt: davon handelt Horror.
     
    Der Gegenstand der Angst, den Horror präsentiert, ist gleichwohl immer schimärisch, metaphorisch in einem noch zu bestimmenden Sinn.
    Er wird per Analogiezauber aus der frei flottierenden (und übrigens selbst wesentlich physiologischen, in körpergepanzerter Muskelstruktur bestehenden) gesellschaftlichen Angst gleichsam herausanalogisiert. Das ist »the First Evil«, »the thing that darkness fears« (BtVS: Amends ), bei Bradleys Guru Foucault die inzwischen mindestens halbtotgeredete »Biomacht«, die alles durchdringt, das absolute Böse, das er nie beschreibt, immer nur beraunt: Das Geheimnis der ganzen Geschichtstheorie dieses Herrn ist ohnehin, daß sie – hierin eine ganz entscheidende Verschärfung des Strukturalismus, den sie so über sich hinaustreibt – magisch funktioniert statt wissenschaftlich. Entsprechungen, Korrespondenzen sind in ihr nämlich wichtiger als Kausalbeziehungen, sie denkt anti- und nachbürgerlich: priesterlich.
    Das Geheimnis ihres Erfolges ist deshalb, kleiner Scherz der Weltvernunft am Rande, dasselbe wie das der Wirkmacht aller unwirklichen Kunst, am prominentesten, weil mitten in der äußersten Vermittlung auf unmittelbare, körperliche Effekte berechnet, des Horrors: Es ist die magische Macht der Metapher.
    Metaphern nämlich sind sie alle, die Monster und Wundertiere der unwirklichen Künste – das glaubt man auch dann, wenn man nicht recht sagen kann, was das heißt, Metaphern müssen sie sein, weil es sie außerhalb der Kunst nicht gibt: der denkende Roboter, der schusselige Magier, der sprechende Drache, der Vampir mit Seele.
     
    Wer eine rationale Theorie der Metapher besitzt, verfügt, denken wir, damit also über den vernünftigen Schlüssel zum letzten noch nicht besprochenen Moment der unwirklichen Künste, nämlich zu einer Mengenbenennung ihres figurativen Bestands, ohne den sie nichts wären.
    So eine rationale Theorie der Metapher aber

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