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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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späten achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts nachlesen). Der grundsätzliche strategische Imperativ der Vermittlung von Programm und Taktik via Strategie bedeutet also, daß man auf allen Verbesserungen von Auskommen, Freiheit und Mitsprache besteht, für deren Erringung sich irgendwo auch nur der geringste Spielraum zeigt, dabei aber unbedingt darauf vorbereitet bleibt, daß die über den gegebenen Legalitätsrahmen Gebietenden diesen sofort abstreifen werden, wenn die Dynamik der Ernstnahme ihrer loyalitätsbindenden Versprechen ihre eigene Herrschaft als bleibendes Hindernis der gerechten Entwicklung von Auskommen, Freiheit und Mitsprache erweist und damit sozial zur Disposition stellt (wie schnell sie sich bedroht fühlen, lehren die Weimarer Republik und Allendes Chile). Diese Strategie, die als sehr allgemeine Gußform Gandhi mit Ho Chi Minh, Lenin mit Jefferson und Paine, die Jakobiner mit den Sandinisten verbindet, erschien einem so klugen Reaktionär wie Carl Schmitt daher auch ungleich gefährlicher als irgendein bewaffneter Desperadokampf oder das Autoanzünden in der Vorstadt; vom Anbeginn seiner Karriere spielte der spätere »Kronjurist des Dritten Reiches« seinen autoritären Souveränitätsbegriff daher gegen jeden, auch noch so drakonischen Legalitätsrahmen überhaupt aus – in dem Moment, in dem Herrschaft ihr Recht kodifizieren muß, hat sie schon ein Spiel eröffnet, das sie verlieren kann – und noch Schmitts letzte Überlegungen galten daher, wie oben schon angedeutet, nicht dem Chaos oder dem Untergang des Abendlandes, sondern einer »legalen Weltrevolution« wider alles, was ihm lieb und teuer war, von der Religion über den Nationalismus bis zur Diktatur – ganz richtig bestimmte er die in der Aufklärung liegenden Wurzeln dieses Ungeheuers, die »Fortschritts-Ideologien als treibende Motive der Superlegalität«, den »Patriotismus der Gattung«, gegen den er polemisiert:
    »Praktisch allerdings ist die Übertragung einer verfassunggebenden Gewalt von der Nation auf die Menschheit kaum vorstellbar. Die Erde mag heute viel kleiner sein als das Frankreich des Jahres 1789, trotzdem dient die neue Technik nicht nur der Zentralisierung, sondern auch dem Widerstand gegen sie. (…) Sollen wir uns etwa eine Vollversammlung der UNO ausmalen oder wenigstens eine Sitzung des Weltsicherheitsrats, die ähnlich verläuft wie die Nacht vom 4. August 1789, in der die Privilegierten feierlich auf ihre feudalen Privilegien verzichteten? Übrigens war das ein Verzicht, dessen faktische Verwirklichung noch eines Dezenniums schauerlichen Bürgerkriegs nach innen und außen bedurfte.« 151
    Ähnlich wie im Wirtschaftlichen Hayek und Mises malt Schmitt einen Zentralisierungsteufel an die Wand, der davon lebt, daß (wie bei Demographiedebatten der Faktor Produktivität) die Realität der Kommunikationsverbesserung, also ein eher abstrakter Produktivkräftezuwachs, der in die Produktionsverhältnisse hinüberreicht, absichtlich übersehen wird: Zentralisierung kann heißen, eine Gewalt reißt alles an sich, oder es heißt, eine Plattform für die Einigung wird geschaffen, aber das zweite erscheint Schmitt nicht einmal denkbar, weil er selbst im Modell von 1789 steckenbleibt und das repräsentative Demokratiedispositiv in überzeichneter Vergrößerung »UNO« nennt, statt seine Überwindung im Zuge von neuen Formen der Demokratie und Planung zu ahnen. Ganz nah ist sein Abtasten der Nachkriegsordnung an den Widersprüchen, die zuzuspitzen sich für alle lohnen würde, die mehr wollen, als auf dem Wahlzettel zwischen sozialdemokratischen und rechtsliberalen Alternativen eine Entscheidung zu treffen – seine fortschrittsskeptische Argumentation, ins Ökonomische gewendet, geht etwa so: Da das Fabrikwesen nicht zur allgemeinen Arbeitszeitverkürzung führt, obwohl es die einzelnen Arbeitenden produktiver macht, ist es offenbar auch Unsinn, vom Fabrikwesen zu erwarten, es könnte zur allgemeinen Arbeitszeitverkürzung führen. So verhält sich’s, sagt Schmitt, mit der UNO und der Gerechtigkeit – aber es ist eben kein Unsinn, von einer technischen (noch einmal: das Wort im Sinne unseres fünften Kapitels verstanden) Verbesserung wie der Fabrik oder der UNO auch soziale Verbesserungen zu erwarten, ja zu fordern, nur darf man dabei eben nicht ignorieren, daß Fabrik und UNO Hebel zur Herstellung von Zuständen sind, nicht selber Zustände (zu deren äußerlichen Attributen dann Auskommen, Freiheit und

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