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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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diesem Sinne auch noch von Bodin gebraucht wird. Charakteristisch ist nun, daß Machiavellis stato nicht mehr Staats form meint, sondern eine Art ursprünglicher politischer Einheit eines Volkes, die als solche nicht nur das Kommen und Gehen der Regierungen überdauern kann, sondern auch den Wechsel der Staatsform. Was Machiavelli im Auge hatte, war natürlich der Nationalstaat bzw. der gar nicht so selbstverständliche Tatbestand, daß Italien oder Rußland, China oder Frankreich in ihren geschichtlichen Grenzen nicht zu bestehen aufhören, wenn die Staatsform zugrundegeht.« 155
    Die Zuversicht, daß dies so sei, es also etwas gebe, in das politische Experimente eingebettet sein könnten wie die der Baconkundigen in die Natur, ist dem späteren Menschenrechtsglauben zuinnerst verwandt; aus ihr sprechen protobürgerliches und bürgerliches Selbstbewußtsein, und man wird sie daher spätestens nach den die bürgerliche Selbstsicherheit einer Inhaberschaft gigantisch tellurisch-zivilisatorischer Missionen zertrümmernden Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts als verlorenes Gut ansehen müssen: Als Martin Heidegger den Grundsatz des Führerstaats, daß es nunmehr keine Zuständigkeiten mehr geben solle, die nicht durch darwinistische Selektion (also die im Verbrecherbandenwesen üblichen Modi der Kompetenzbehauptung) vor dem Gottrichterauge des Diktators entschieden würden (ein Prinzip, das etwa im Wettlauf zwischen Himmlers SS, der Goebbelsschen Propagandahausmacht und den sonstigen Banden innerhalb der Bande um die Zuständigkeit für die »Judenfrage« für eine formal praktisch regellose, aber unbremsbare Verschärfung der Politik gegen die Juden und damit schließlich zur Massenvernichtung sorgte), ins diesem das naturwüchsigste Faustrecht vergötternden Nichtgedanken angemessen Unverständliche übersetzte, kamen dabei Zerrbilder und Parodien Machiavellis, Platons und Hegels heraus wie etwa, der Staat sei die wirklichste Wirklichkeit, die dem Sein einen Sinn geben müsse, die Verwirklichung des Volkes im Führer, ein grundvitales, nicht kritisierbares Etwas jenseits von Lehrsätzen und Ideen (»Willkür« hat eben einen logischen wie auch einen juristischen Sinn; Anti-Intellektualität dieser Sorte ist die Schwester des Hasses auf Rechtsstaatlichkeit in jeder Form), eine Zusammenballung von Treue, Gefolgschaftswillen und Mut zum Opfer, Manifestation der innersten Kraft des Volkes und überhaupt ein transgalaktischer Totalpopanz, in welchen man zugleich die Vollendung des preußischen Staates zu erblicken habe (das war ein direkter und zugleich völlig inhaltsloser Versuch, Hegel zu übertrumpfen, der im preußischen Staat ja schon die Selbstverwirklichung des Weltgeists an seinem Ziel angekommen sah; man sollte einmal, jenseits aller inzwischen nur noch ermüdenden Nazinachweise, untersuchen, inwieweit Heideggers ganzes Denken seiner Gestik nach sich in nichts anderem als solchen Übertrumpfungen – der Vorsokratiker, Nietzsches, Husserls und Gott weiß noch wessen – verausgabt, worin dann auch die auffälligste ästhetische Parallele der Heideggerschen Rede zur Gigantomanie und Einschüchterungsmanie, zum wagnerianischen Gesamtkunstpomp der nationalsozialistischen Ästhetisierung der Politik liegen mag). Die Wirklichkeit sah so aus, daß das Führer- wie das völkische Prinzip sich zur Staatlichkeit (mit Eigenschaften wie Verfassung, stabilen territorialen Grenzen, klar voneinander abgegrenzten Instituten politischer Willen) verhielt wie das Raubritterwesen zum Handel, oder mit Bernhard H.F. Taureck: »Dieser Staat war amorph und daher ohne innere Struktur, die Dauer hätte garantieren können. (…) Dieses Gebilde war angewiesen auf ein vorgegebenes Gehäuse – die Verfassung der Weimarer Demokratie –, in dem es sich, wie angegeben, tarnend einnistete, bis es sich selbst in die Orgien seiner Vernichtungen einschloss«, 156 was dann konkret so aussah, daß der Führer, kaum war er tot, plötzlich wieder in die inmitten des vom Naziverbrecherhaufen erzeugten Riesenuntergangs unangemessen putzigen Ämter Reichskanzler (den Job bekam der seinen Heiland nur kurz überlebende Joseph Goebbels ab) und Reichspräsident sowie Oberbefehlshaber der Wehrmacht (der verdutzte Dönitz) zerfiel, als wäre immer noch Weimar und eigentlich alles nicht so gemeint gewesen (eine Haltung, die sich nach der Kapitulation in der erstaunlichen massenpsychologischen Erscheinung spiegelte, daß eigentlich niemand richtig mehr

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