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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Schreibtischgangster auszuschreien.
    Die brennende Bank aber ersetzt feedbacklose Verhältnisse nicht durch bessere; nicht Server wurden gestohlen (oder blockiert, damit Befehle der counterinsurgency ihre Empfänger nicht mehr erreichen), nicht Fernsehstudios besetzt oder Läden (freie Warenverteilung ist keine elegante, aber je nachdem manchmal eine belebende Form der Rückeroberung des Mehrprodukts), überhaupt nichts irgendwie wenigstens gestisch Fortschrittliches steckt in der brennenden Bank (oder im brennenden Reichstag). Das Zerstören zum Zweck der puren Erzeugung von Schrecken, die Randale kann als Markierung der bereits eingetretenen Legitimitätsverluste eines wirtschaftlichen, rechtlichen, politischen Systems solche gestischen Aufgaben erfüllen; wer an dieser Stelle aber ins Moralische oder Antimoralische fällt und die alte Perle aus dem Ethikunterricht – »Heiligt der Zweck die Mittel oder nicht?« – poliert, hat wieder das (naturgemäß auch normative, aber sehr viel wertvollere) Gebot der Konkretion verletzt, wonach es nicht um irgendwelche Mitarbeitsnoten und Gesinnungsstrebereien geht, wo die Lage kippt, also auch nicht darum, ob irgend etwas geeignet ist, irgend etwas anderes zu »heiligen«, sondern darum, ob ein bestimmtes Mittel geeignet ist, die Zwecke, für die man ja schließlich so viele Menschen gewinnen will wie möglich, erkennbar zu machen oder zu halten. Mord ist ein ziemlich unergiebiger Hinweis auf die Absicht, das Leben erträglicher einzurichten, soviel steht fest.
VII.
Technomaterialistisches Scherzo
    Wenn man imstande ist, der Versuchung zur starren Topik zu entraten, kann man bei Marx und Engels eine Grundspannung kennenlernen, die vorrevolutionäre und revolutionäre Epochen besser verstehen hilft als die steilste Condorcetsche Treppe: das Mißverhältnis zwischen Produktionsverhältnissen und Produktivkräften. Auch dieser Ansatz aber kann verkalken: Läßt man, von ihm verzaubert, unmittelbare Gewaltphänomene sowie Politik, Recht und das sonstige Brimborium der Humanwissenschaften als unerheblich beiseite und hält dafür, daß der Feudalismus nur deshalb (und zwangsläufig) auf den Menschenbesitz folgte, weil sich die Landbestellung auch anders organisieren läßt als mittels der Sklaverei, nämlich über Auspressung Verschuldeter, die man zu Leibeigenen macht, und läßt man Kapitalismus und Manufaktur allein aus der Grundspannung zwischen Verhandwerklichung und Verstädterung einerseits, Lohnarbeit andererseits hervorgehen, dann kann man leicht auf den Einfall kommen, Automation, Informatisierung, Vernetzung und Biotech möchten unter privateigentümlichen Verhältnissen mit durch die neuen knowledge commons allmählich ineffektiv werdenden Titeln auf intellektuelles Eigentum den nächsten derartigen Sprung vorbereiten. In diesem Bild war die Bourgeoisie dann nur Erfüllungsgehilfin der selbsttätigen Technikentwicklung, diesmal mögen es Hacker und Biowissenschaftsfellachen sein, die auf das hören, What technology wants (so der hochspekulative Titel einer Abhandlung von Kevin Kelly aus dem Jahr 2010). Man kann diese Position technomaterialistisch nennen, oder ultrakittlerianisch (nach Friedrich Kittler, der eine erzgeisteswissenschaftliche Abneigung gegen die Geisteswissenschaften soweit treibt, daß er nur noch von Apparaten, Maschinen, Meßgrößen und allenfalls Mathematik etwas wissen will, wobei letztere schon aufpassen muß, welchen ontischen Status sie selbst und ihr Gegenstandsbereich noch bekommen, da Kittler doch in Sachen Computer lehrt: »Es gibt keine Software«), und ihre konsequenteste Ausprägung wäre dann wohl Vernor Vinges Lehre von der singularity, nämlich daß uns in nicht allzuferner Zukunft ein Stand der Technik bevorsteht, an dem selbstdenkende Siliziummaschinen, Biorechner aus miteinander verschalteten Blutzellen à la Greg Bears Blood Music oder anderweitig hyperentwickelte, vormals instrumentelle Dispositive echten Subjektstatus erreichen und von da an nicht mehr vorhergesagt werden kann, wie es mit dem Sozialen, ja mit den Menschen überhaupt weitergeht.
    Allerdings hat diese Singularität, wenn man sie denn ernst nehmen will, auch ein paar soziale und politische Voraussetzungen – ja nicht weniger, als Manufaktur und große Industrie sie hatten. Handlungsspielraum besteht auch da noch: Glaubt ihr, könnte man Vinges Leute fragen, es wäre besser für uns Menschen, wir änderten die Verhältnisse selbst so, daß sie uns bekömmlicher

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