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Der Implex

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Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Mitsprache etwa gehören können oder nicht).
    Schmitt weiß das eigentlich; sonst hätte es keinen Sinn, daß er vom Bürgerkrieg redet – aber würde er an dieser Stelle genauer, müßte er auf die zu sprechen kommen, die eine Revolution besiegen muß und die sich eben, wie alle Leute, nicht so gern besiegen lassen.
     
    Verliert man da nicht den Überblick, sieht man auch klar: Je günstiger die Ausgangslage, desto weniger Bürgerkrieg; alles, was die Sache weniger blutrünstig macht, ist zugleich ein günstiges Vorzeichen für ihren Erfolg, inklusive einer stabilen Legalität.
    Wovor Schmitt sich fürchtete, die »legale Weltrevolution«, kann man auch befürworten – dann nennt man es vielleicht, mit H. G. Wells, »the open conspiracy« (der Name ist poetischer als der Schmittsche, aber sie berühren einander sichtlich. Man sagt, was man vorhat – »it may never become one single administrative system. We may have systems of world control rather than a single world state« 152 , ein feedbackreiches Arrangement also –, und nutzt jede Gelegenheit, sich diesem Vorhaben anzunähern. So blauäugig, anzunehmen, daß sich denen, die solch ein Ziel verfolgen, kein Widerstand entgegenstemmen würde, war Wells freilich nicht, und die einander ausschließenden Loyalitäten, zwischen denen sich die offenen Konspirateure würden entscheiden müssen, benannte er nicht weniger klar als Schmitt: »Loyalty to ›king and country‹ passes into plain treason to mankind« 153 , was umgekehrt die Machthaber in den existierenden Nationalstaaten, an deren Bestand und Ontologisierung Schmitt soviel lag, dazu bringen würde, die Verschwörer als Verräter aufzufassen – auch darüber, was das bedeutet, gestattete sich Wells keine Illusionen: »Since there are armies prepared to act coercively in the world today, it is necessary that the open conspiracy should develop within itself the competence to resist military coercion and combat and destroy armies that stand in the way of its emergence.« 154 Erneut könnten nun Kittlerianer die Sache, sich in dieses Wells-Zitat verbeißend, für eine Hardwareangelegenheit nehmen, aber selbst Kriege und Bürgerkriege sind auch auf dem hochentwickelten Stand der Zerstörungsmittel, der inzwischen erreicht wurde, immer noch etwas anderes als reine Materialschlachten; sie haben außerordentlich viel und sehr Verwickeltes mit gesellschaftlichen Belangen zu tun, wie die Nordamerikaner lernen mußten, als sie die stärkste Militärmaschinerie der Erdgeschichte zwar zum Luftsieg und zur Zerschlagung der Staatsmacht im Irak führte, das darauffolgende Besatzungsregime aber nicht entlasten konnte. Smart bombs befrieden Gebiete, nicht unbedingt Menschen; die Herstellung eines Friedens, der für seine Erzwinger funktioniert, ist eine soziale, keine militärische Aufgabe; das hat sie mit der Revolution gemeinsam.
    Wenn Wells seiner conspiracy kurzentschlossen das Recht zugesteht, gegen »nationalistisches Brigantentum« vorzugehen, wird es an genau dieser Stelle richtig heikel; Nationalistinnen und Nationalisten werden da an Carl Schmitts Begriff der diskriminatorischen Kriegsführung denken, der etwas mit Namen nennt, das nach Schmitt zum Schlimmsten gehört, was die Neuzeit erfunden hat, nämlich die harte Wirklichkeit, daß der Feind in einigen der schwersten modernen bewaffneten Auseinandersetzungen nicht mehr als Feind auf Augenhöhe betrachtet wurde und wird, sondern als zu bestrafender Verbrecher – das nehme dem nämlich seine Würde, sei totalitär und so fort –, das Bild dahinter ist, bis in Schmitts Tagebücher nach dem Zweiten Weltkrieg, wo es offengelegt wird, natürlich das der von den Nürnberger Prozessen gegen Hitlers überlebende Elite gemeinten Welt; man mag aber auch an die jugoslawischen Regierungsleute vor dem Gericht Europas und der Welt denken. Siegerjustiz ist wirklich nichts Schönes; das liegt aber meistens an den Siegern, weniger an der Justiz, die vielmehr Sieger immerhin nötigt, sich den (im Einzelfall dann ja durch Aufklärung, wenn denn eine Opposition stark genug dazu und außerdem im Recht ist, zu entlarvenden) Schein des Rechts zu geben. Wenn es die von diskriminatorischer Kriegsführung (und sie verlängernder, von ihr verlängerter Politik) benutzte Unterscheidung zwischen dem Legitimen und dem Illegitimen, die dahinterstehende von richtig und falsch aber gar nicht geben soll, wie Schmitt vorschlägt, sondern nur noch verschiedene Sozietäten verschiedenen

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