Der Implex
angeben konnte, woher der ganze Spuk gekommen war, wer ihn gewollt hatte, geschweige denn, daß man sich dazu hätte bekennen können, ihn bis zur Wende des Kriegsglücks durchaus eifrig unterstützt zu haben). Mit dem Staat, den Machiavelli gemeint hatte, konnten die Nazis am Ende nicht mehr anfangen, als ihn zu zerstören, unter der Parole seiner Totalisierung freilich, und so, als wäre das, was sie taten, Politik, von der doch gleichzeitig zahlreiche Äußerungen des Führers verraten, daß er alle ihre neuzeitlichen Korrelate und Konstituenzien abschaffen wollte, von den Parteien bis zu den Sonderinteressen. Er war wirklich »Führer«, nicht Politiker, und doch hatte ihn ein Gemeinwesen an die Spitze eines Staates gelangen lassen, das bürgerlich verfaßt gewesen war, politisch gegliedert, von machiavellischen fault lines durchzogen.
Was war der Staat, was hätte er sein sollen, bevor die Geschichte anfing, sich mehr und mehr zwischen failed states zuzutragen?
II.
Seelenadel, Polizeigeistlichkeit, Urzustände
Nicht einmal die fanatischsten Parteileute der Anarchie (die gewiß jedem Menschen das Nasenbein brechen würden, der behauptet, sie seien in irgend so etwas wie einer Partei zu finden) werden leugnen, daß man, sobald in Gemeinschaften gelebt wird, die größer sind als die aus Adam und Eva zusammengesetzte, gezwungen ist, die Herstellung, Verteilung und vielleicht sogar den Verbrauch von Sachen irgendwie zu organisieren. Leugnen würden sie allerdings, daß das in Gruppen geschehen sollte, die über den Grad der von diesen drei Aufgaben (Herstellung, Verteilung, Verbrauch) bereits nahegelegten Arbeitsteilung hinaus differenziert sein müßten. Wo gejagt und gesammelt wird, behaupten jene, die das Gesellschaftliche für grundsätzlich, überall und immer gut, das Staatliche aber für grundsätzlich, überall und immer übel erklären, soll niemand außer Jägerin oder Sammlerin etwa Vorratsbeauftragte, Verteilerin, Schlichterin von Streitigkeiten beim Jagen oder Sammeln und so fort sein, weil damit die Unterdrückung anfinge, bevor auch nur die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen erfunden sei.
Trotzki, der die Meinung der Klassiker des Marxismus zu dieser Position zusammenfaßt:
»Die Prinzipien des Liberalismus existieren in der Wirklichkeit nicht anders als in Verbindung mit dem Polizeigeist. Der Anarchismus ist der Versuch, den Liberalismus vom Polizeigeist zu säubern. Aber wie Sauerstoff im reinen Zustande für die Atmung unerträglich ist, so bedeuten die vom Polizeigeist gereinigten Prinzipen des Liberalismus den Tod der Gesellschaft. Als karikaturenhafter Schatten des Liberalismus teilt der Anarchismus im Allgemeinen dessen Schicksal. Die Entwicklung der Klassengegensätze, die den Liberalismus tötet, tötet auch den Anarchismus. Wie jede Sekte, die ihre Lehre nicht auf die wirkliche Entwicklung der menschlichen Gesellschaft stützt, sondern auf die Ad-absurdum-Führung einer ihrer Eigenschaften, verflüchtigt sich der Anarchismus in dem Augenblick in die Luft, wo die sozialen Gegensätze zu Krieg oder Revolution führen.« 157
Der andere, ältere Liberalismus, derjenige, den es in der Wirklichkeit dann nur mit Polizeigeist gibt, ist, wir haben mehrfach darauf hingewiesen, in der Aufklärung erfunden worden. Seine Vorstellung vom Staat reduziert ihn, in diesem Punkt absichtsvoll hinter Machiavelli zurückfallend, auf eine Verwaltungsangelegenheit, aber, in diesem Punkt mit Machiavellis Absichten, wo nicht mit seinem buchstäblichen Wortlaut wieder einig, auf eine, die nicht vom König lizenziert und von Gott legitimiert, sondern von Menschen gesetzt ist, als vernünftige Konzession an den Realismus, der weiß: Unbewachte Vorräte reißen Starke oder Schlaue an sich, ungeregelte Verteilung läuft auf die bloße Reproduktion der Raubtier-Beute-Relation im Gesellschaftlichen hinaus; rechtlich ungeschlichtete Streitigkeiten entscheidet das Faustrecht. Das Ideal des Liberalismus ist der Vertrag; den Staat wünscht er sich als Instanz, die diesen beglaubigt, sein Zustandekommen ermöglicht und begleitet, seine Einhaltung überwacht und seinen Bruch bestraft. Philologisch dingfest zu machende Geburtsstätte dieser Richtung ist die schottische Aufklärung, die Textwelt David Humes, Adam Fergusons und vor allem Adam Smiths also; im Hinblick auf das Verhältnis von Staat und Gesellschaft wird man diesen geschäftstüchtigsten Zweig des Gesamt- Enlightenment daher den pragmatischen nennen
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