Der Implex
wieder einen Bonapartismus erfindet). Auch der Sozialismus nämlich muß einen König ersetzen, der eine herrschaftssichernde Waffenstillstandskooperation zwischen zwei einander nicht grünen Klassen zu verewigen berufen ist, nämlich den bürgerlichen Staat. Die Vorstellung vom Urzustand, lehrt nun wieder Rawls, drängt sich unvermeidlich auf, sobald wir wissen wollen, wie ein Gemeinwesen den Weg zur Gerechtigkeit finden soll (und kürzt man das Wertende weg, verallgemeinert und sublimiert den Begriff der Gerechtigkeit, der von interpersonalen, zunächst wohl immer Zweierbeziehungen ausgeht, ins wirklich Soziale, wie wir das oben mit den Trieben und dem Nachbarn getan haben, dann heißt Gerechtigkeit wohl einfach: Stabilität der Kohäsion).
Damit verweist Rawls (ob ihm das im einzelnen deutlich ist oder nicht; aus seinen Schriften geht es klar nicht hervor), daß man in der stattgehabten, aufgezeichneten Realgeschichte auch bei noch so sorgfältiger Suche keinen Moment finden wird, da diese Dinge öffentlich ausgehandelt wurden, daß man sie sich aber gleichwohl nur als ausgehandelte vorstellen kann, weil sie sonst keinerlei Legitimität hätten. Er kratzt damit das tiefste Dilemma liberalen Staatsdenkens recht vorsichtig an, nämlich die Tatsache, daß alle aus bürgerlichen Köpfen kommenden Gerechtigkeitstheorien sich früher oder später als Rechtfertigungstheorien eines aus ganz und gar nicht theoretischen Gründen zustandegekommenen tatsächlichen Zustands des Gemeinwesens sind. Er hofft, der vagen Anrüchigkeit dieser Rechtfertigungsargumentation (es könnte ja immer wer kommen und fragen: Ist die Überlegung, daß wundersamerweise das, was der Kapitalismus sich zunächst einmal als die ihn aushaltende Staatsform besorgt, mit dem, was ein auf Fairneß und Stabilität der Kohäsion bedachter Analytiker als beste Staatsform deduzieren muß, über den Umweg von Urzustandsvermutungen so schön zusammenpaßt, nicht doch ein Sonderfall der geschichtlichen Binse, daß zu allen vorgekommenen Zeiten die denkenden, also im Zuge der Arbeitsteilung aus den weniger mußereichen und schönen Abteilungen der Produktion herausgenommenen Leute mit deutlichem bias und wie durch ein Wunder immer genau die jeweils dieses Herausgenommensein stützende Staats- und Gesellschaftsform als die denkbar beste erkannt haben, und ist diese Verwandtschaft nicht, bei aller endlich doch und evidenterweise erreichten Idealität, ein bißchen verdächtig?) zu entgehen, indem er die Unvermeidlichkeit seiner Schlüsse ordentlich kantisch an den Möglichkeitsbedingungen derartiger Schlüsse überhaupt eicht, aber das hat, weil es eben wieder nicht auf Trotzkis oben angemahnte »wirkliche Entwicklung der menschlichen Gesellschaft« abhebt, sondern auf die Reifizierung und Fetischisierung realgeschichtlicher Arbeitsergebnisse, etwas vor einen so universalen Kopf wie Rawls unleidig Sektiererisches.
Die so vorgenommene dreiseitige Versöhnung von Sein, Können und Sollen ist gewaltsam, mit einem Wort Adornos aus verwandtem Zusammenhang: erpreßt: Wenn gesagt wird, daß es logisch gar nicht anders kommen konnte, als es gekommen ist, soll man nicht mehr darüber nachdenken dürfen, ob die Geschichte weitergeht, weil es immer auch anders hätte kommen können und vielleicht noch einmal anders kommen wird. In Krieg oder Revolution, den Situationen, die sowohl Trotzki wie etwa Carl Schmitt als antikantisch-empirisch-induktive Eichmaße in ihre entsprechenden Deliberationen einbauen, löst sich der Liberalismus tatsächlich in Kompetenzkriege auf; selbst beim bloßen schwarzen Schatten eines Bürgerkriegs, den Bushs »Krieg gegen den Terror« beschwor, wurden bereits Bürgerrechte suspendiert, Freizügigkeiten kassiert, die Folterwerkzeuge wieder ausgepackt. Bürgerliche Denker des Ernstfalls werden deshalb rasch und häufig Illiberale – auch zwischen Denkern gibt es in hocharbeitsteiligen Sozietäten eben Binnenarbeitsteilungen wie etwa die nach Sonntagsdenkern, Alltagsdenkern und Krisendenkern.
III.
Schmitt, Marx, Smith: Politische Geschicke der Arbeitsteilung
Letztere finden immer wieder Sachen heraus, die den Sonntags- und Alltagsdenkern in die Jubelparade fahren, zum Beispiel zur Meinungsfreiheit: Interessant wird die ja eigentlich erst, wenn Meinungen geäußert werden, die der bestehenden Ordnung gefährlich werden können, auch im repressivsten System darf man dieses und seine Funktionseliten loben, Verlegenheitswendungen wie die von der
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