Der Implex
Entwicklungsstufe des modernen kapitalistischen Weltsystems irgendwelche »ökonomischen Determinanten« oder einfach die – dabei in Wirklichkeit erzidealistisch umgedeutete, weil ohne Verweis auf Realverhältnisse für allmächtig erklärte – Warenform keine gegenläufigen Tendenzen, Spielräume etc. pp. zuließen) Organisationen wie Gewerkschaften (und, abermals a fortiori, Parteien, Wohlfahrtsverbände, Bürgerinitiativen, modulare Produktion, gender mainstreaming, diversity -Dienststellen, Umstellung der Produktion auf selbstverantwortete Kleineinheiten, CAD/CAM, Outsourcing, Telepräsenz und was es seit dem Ende des Fordismus und der Systemkonkurrenz sonst noch Altes – also Abgetanes – und Neues – also nur den neuen Machtverhältnissen Dienstbares – gibt) immer nur zur Kontrolle, Disziplinierung, entmündigender Integration zu gebrauchen seien (begleitet wird diese Miesmacherei von der fiesen Evidenzgeste, die darauf deutet, daß sie ja wirklich immer wieder eben dazu gebraucht werden). Wir antworten darauf nicht ausführlicher als mit dem Gleichnis von einer mysteriösen Sorte Werkzeug, mit der man angeblich sowohl Leuten den Schädel einschlagen wie einen Nagel in die Wand kloppen kann. Alles, was zur Waffe taugt, hat, solange Unrecht existiert, einen höchst produktiven, keineswegs je rein destruktiven Gebrauchswert.
Hilft also immer, und wie wir an Hacks und seiner Position zur postrevolutionären Klassengeschichte immerhin implizit sinnfällig gemacht zu haben hoffen, womöglich auch im Sozialismus, gar nach Ansicht derer, die ihn befürworten und (solange er das noch nötig hat, also beispielsweise unter Bedingungen des Eingekreistseins durch einen Imperialismus) verteidigt sehen wollen, nur Gewalt, da sie doch fortherrscht, weil es ohne sie keine Klassen gäbe? Was bedeutet eigentlich die normative Formel »Man muß streiken können«, wer benötigt Gewerkschaftsstücke, und von was für (virtuellen? begrifflichen? tatsächlichen? geschichtlichen?) Gewerkschaften handeln die eigentlich?
Schaut man sich die Parole der Heiligen Johanna einmal (was bei Kampfparolen bekanntlich gar nicht so einfach ist) in Ruhe an, so fällt zunächst auf, daß sie Zwecke und Mittel, Zustand und Handlung, Absicht und Praxis, Aufstand und Hexis verwechselt, also »schief ist« wie jede gute Metapher, im positivistischen Sinn mithin »nicht stimmt«, aber gleichwohl (und vielleicht ja: deswegen) unmittelbar (soll heißen: sinnlich) einleuchtet. Sie ist ein triftiger Kurzschluß (wie alles, was an Kunst überzeugt). Denn wie soll das gehen: »Gewalt herrscht«? Sie ist kein Subjekt, sondern Herrschaftsmittel (genauer: Herrschaftserzwingungsmittel, Herrschaftssicherungsmittel. Man herrscht nicht mit Gewalt, man herrscht dank Gewalt). Unter diesen Mitteln gehört sie zu den auffälligeren; sie tut weh, man will sie daher häufig noch dringender loswerden als die Herrschaft selber (der »gute König« erscheint als etwas Wünschenswertes, weil es den bösen gibt und er die Leute schinden läßt).
Gewalt ist eine spürbare Handlung oder eine abzählbar große, vielleicht potentiell unendliche Menge solcher Handlungen, selbst in dieser Unendlichkeit aber immer etwas Konkretes (man kann die einzelnen Gewaltakte benennen und beschreiben, es läßt sich sagen »wer – wen« et cetera), Herrschaft dagegen eine Beziehung (die sich, wenn sie sich überhaupt irgendwie »anfühlt«, nicht als körperliche Empfindung, sondern als Zustand gewordene Handlungsdisposition ausnimmt). Über Beziehungen, Handlungsdispositionen und dergleichen Gelehrtes denkt man, wenn man unter Gewalteinwirkung steht, schon deshalb weder gern noch häufig nach, weil traumatische Noxen das Denken – nicht nur dasjenige in Abstraktionen, sondern sogar und ganz besonders das automatische, vorbewußte Schließen, da sind sich ausnahmsweise mal alle einig, von Pawlow bis Freud, Skinner bis Festinger – nun mal sehr grundlegend stören bis verhindern (diese Wirkung reicht so weit, daß man sich tatsächlich darüber nicht verständigen kann, ohne sie zu verkleinern, einzuschränken, ihrer Mehrdeutigkeit operable Eindeutigkeiten abzuringen – wollte man ganz genau sein, müßte man beispielsweise zugeben, daß man das Wort »Gewalt« nicht nur als ein Bindesubstantiv für eine unbestimmte Menge von Handlungen, sondern auch, metaphorisch, wiederum für ein Verhältnis gebrauchen kann, eben die Herrschaft nämlich – »Gewalt über jemanden oder
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