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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Widersprüche des Sozialismus. Dieselben kann er einer Versöhnung zuführen, aber es ist nicht ausgemacht, daß er nicht an ihnen zugrundegeht.« 179
    Die Frage nach Antagonismus und gar (was für ein bestürzender Scharfsinn) Untergang ist die aus dem anderen illiberalen Kontext, dem bei Carl Schmitt, schon vertraute nach dem Ausnahmezustand, an dem die Liberalen mit ihrem Latein traditionell am Ende sind, während Hacks wie Schmitt in dieser Aufgabe das proprium der Regierung erkennen. So weist der Dichter jeden auch noch so klugen Versuch Gossweilers zurück, die Versöhnung zwischen den möglicherweise antagonistischen neuen Klassen für eine ausgemachte Sache nur deshalb zu erklären, weil sie theoretisch so zwingend, so einfach ist wie die Deduktionen von John Rawls aus dem hypothetischen Gemeinschaftsurzustand:
    »Warum, fragen Sie mich, Spezialisten keine Marxisten sein könnten? Sie sollten sie selbst fragen. Ich nehme an, Naturwissenschaftler haben einen anderen Denkapparat als Gesellschaftswissenschaftler, und es war Ulbrichts größte und verdienstvollste und gescheitertste Anstrengung, aus Parteimenschen zugleich Fachmenschen und aus Fachmenschen zugleich Parteimenschen zu züchten. Er ließ seine Funktionäre den Doktor machen und seine Professoren ML studieren. Die einen wie die anderen, mit verschwindenden Ausnahmen, wollten das nicht. Ehe diese Klassen bereit waren zu verschmelzen, stürzten sie ihn lieber.« 180
    Wenn einer, der sonst so gutes Deutsch schreibt wie Hacks, plötzlich einen Superlativ von »gescheitert« kennt, liegt eine brisante Ärgerquelle vor, die wir im Vokabular dieses Buches etwa wie folgt dingfest machen würden: Parteimenschen sind für etwas Normatives zuständig, die Naturwissenschaften müssen das, so gut es geht, ausschließen, die Techniker wieder vermitteln es mit dem, was die Parteimenschen wollen. Da zu den Berufsdeformationen aller, die überhaupt einen Beruf haben, die stete Sorge um professionelle Autonomie und Integrität zählt und nur Pfeifen über diesen Schatten kommen (springen würden wir das nicht nennen wollen, was sie zu diesem Zweck tun müssen), sind diese Klassen zumindest in Situationen, da ihnen kein Überschuß, kein Überfluß um die Ohren fliegt, je klassenbewußter, desto antagonistischer. Die Rechte freut sich in unverhohlener Häme darüber; ihr intellektuell ernsthaftester Einwand gegen die Linke ist ja zu allen Zeiten der gewesen, jene glaube, der Mensch sei unbegrenzt erziehbar, und alles habe eine politische Lösung. Bescheidener als in dieser Karikatur, die sich von Saint-Just bis zu irgendwelchen wahnsinnig gewordenen Maoisten leider auch immer wieder Linke ganz freiwillig haben vor den Bauch binden lassen, pochen wir bloß darauf, daß es gesamtgesellschaftliche Fragen gibt und daß es richtig ist, an sie normativ und programmatisch heranzugehen.
    Die konstruierten – nicht mehr naturwüchsig entstandenen – Klassen, von denen Hacks redet, können nur über konstruierte Machtapparate herrschen und ihre Antagonismen untereinander regeln; auch die Verfassung ihres Staates ist, wie die jeder Klassengesellschaft, eine Waffenstillstandslinie in Klassenkämpfe, die aber nicht aus Erschöpfung der gegnerischen Heere, sondern aus ihrem aus Interessenkalkül resultierenden Friedensschluß rührt, im Bewußtsein, daß sie sich (und einander) damit bereits wieder abzuschaffen begonnen haben.
     

ELF
FREUNDSCHAFT BEI DER ARBEIT
I.
Eine frappante Geschichtslücke
    Das Allerunanschaulichste, Allerobskurste, Alleraltmodischste und Allerbesiegteste war für Leute wie uns – geboren 1970, in der Schule und an der Universität einerseits von Achtundsechzigern und andererseits deren Gegnern unterrichtet – lange Zeit die Arbeiterbewegung. Linkes Denken, linke Einschätzungen, linke Programmatik lernten wir kennen über Leute, die der Studentenbewegung nahegestanden hatten, der Außerparlamentarischen Opposition: Intellektuelle, sogenannte Kulturschaffende, Wissenschaftlerinnen, Publizisten. Ein Wort wie »Gewerkschaften« riecht in dieser Winzwelt nach Socken; unserer Elterngeneration waren, je nach Beschäftigungszweig und Stellung dieser Eltern, solche Organisationen entweder Banden von tumben Gestalten, die »der Wirtschaft« schadeten (und damit »uns allen«), oder Heimstatt von »Bonzen, die nicht genug für die einfachen Mitglieder tun«.
     
    Wir haben uns, bevor wir mit der Arbeit an diesem Kapitel anfingen, ein paar Tage unter Leuten, die

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