Der Implex
ausgewiesen findet 199 , in ihrer sozusagen vormarxistischen Frühzeit die Ausdrücke »Krieg« und »Revolution«, überzeugt von der unausweichlichen Dynamik eines nach Condorcet-Hegelschem Plan die alten Mächte hinwegfegenden Fortschritts, oft nahezu synonym benutzt; es konnte zu der Zeit, in die hinein sie wirken wollten, eigentlich keinen Krieg geben, bei dem nicht Fortschritt gegen seine Aufhalter kämpfte, und daß die letzteren nicht würden siegen können, hätte ja kein aufrechter Linkshegelianer bestreiten mögen.
Das frühe Kriegsbild der beiden hatte sich an den Revolutionskriegen der Französischen Republik um 1793 gebildet; als sie dann fortschritten zur Analyse der Klassen und ihrer Kämpfe (statt nur abstrakter Prinzipien wie Fortschritt und Reaktion), wurde das zunächst entscheidende Kriterium für analytische, propagandistische und (mit dem allmählichen Erstarken der organisierten Arbeiterbewegung) praktische Entscheidungen in Kriegslagen die Frage der erfolgreichen Schwächung der Bourgeoisie; wobei allerdings kein schemaverliebter Automatismus, sondern entwickelte Dialektik die Urteile formte. Nach dem Erscheinen des Manifests der Kommunistischen Partei erklärten sich seine Verfasser zweimal ausdrücklich für Kriege, die im Interesse nationaler Bourgeoisien geführt wurden (dafür, daß das bei ihnen selten war, geschah es in diesen Fällen allerdings um so deutlicher), nämlich für die französische Dritte Republik nach dem Fall des Zweiten Empire im September 1870 bis zum Aufstand der Pariser Commune (mit dem wahr wurde, was Marx und Engels bei aller Parteinahme für die Republik von Anfang an illusionslos erklärt hatten, nämlich daß die Bürger Verrat an den besitzlosen Nichtbürgern üben würden, die sie zu ihrer erneuten Emanzipation zuvor in Marsch gesetzt hatten) und im Amerikanischen Bürgerkrieg für Lincoln und den Norden (keineswegs nur aus Affekt gegen die Sklaverei); Marx sah vielmehr die – von Lincoln dann verschenkte, ja gefürchtete – Chance, den Krieg von Yankeeseite nicht nur als Ringen um die staatliche Einheit des Bundesstaats, sondern als revolutionären Krieg ums restlose Abräumen versteinerter Produktionsverhältnisse zu führen, um die Union zu retten – privat war Marx kein allzugroßer Freund der Lincolnschen Politik, da aber die englische Bourgeoisie, die den Süden unterstützte, scharf gegen den Präsidenten auftrat, war die Sache doppelt entschieden.
Aus der damit vom taktischen Choreographen Marx und dem vormaligen königlich preußischen Bombardier Engels gestifteten Tradition der linken, aber realistischen Behandlung von Militärfragen scherten die Großen der im Werden begriffenen Dritten Internationale wie deren Erben nach ihrem Untergang nicht aus; Rosa Luxemburg, die bei allen Zwistigkeiten mit Lenin der Komintern doch ihre zweitwichtigste Partei schenkte, die KPD, zeichnet etwa als Verfasserin eines tief gedachten, bis heute in vielem nicht überholten Text über Miliz und Militarismus , in dem die Auseinandersetzung mit dem Problem der Massenbewaffnung die schönste Kontinuität selbst zu den vor- und protomarxistischen Leistungen von Marx und Engels wahrt; Trotzkis Talent fürs Militärische ist berühmt (und sollte berüchtigter sein: nach seinen unbestreitbaren Erfolgen im Bürgerkrieg wollte er auch die Wirtschaft in großem Umfang »militarisieren«; daß Lenin statt einer derartigen harschen Verlängerung des Kriegskommunismus dann doch lieber die NÖP erfand, hat den jungen Staat nach innen vermutlich ebenso knapp gerettet wie nach außen der von Trotzki abgelehnte, auf Lenins Geheiß von ihm aber unterschriebene Brester Friede); und was die Nachfahren der zerschlagenen Dritten Internationale angeht, so hat der kommunistische Dichter Peter Hacks (dem man Nähe zu Luxemburg und Trotzki nicht nachsagen kann) in Streitlaune, noch nachdem der Warschauer Vertrag verspielt war, selbstbewußt erklärt:
»Dank der USA sind viele Ergebnisse der beiden Weltkriege im Augenblick vielleicht für den Sozialismus verloren. Vielleicht auch noch nicht. Man stelle sich doch nicht dümmer, als man ist, und höre auf, von den Koryphäen des existierenden Sozialismus als von einer Gesellschaft von Losern zu reden. Das Spiel, beiläufig, welches der Imperialismus zum Jahrhundertende gegen den Sozialismus gewonnen hat, war kein Krieg. Möge das nun als ein erfreuliches oder ein bedenkliches Zeichen zu nehmen sein, aber einen Krieg haben wir bisher nicht
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