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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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stehendes Heer von der Nationalgarde der Citoyens supplementiert werden sollte, ein Reformverlangen, mit dem er vor der Nationalversammlung zunächst kein Glück hatte, obwohl sie zwar waffenklirrend, aber dem Bürger doch sehr verständlich das erfreulichste Korrelat der Montesquieuschen Militärkritik durchaus miteinbegriff, nämlich die Steuersenkung (das Schlimmste am Militär als Alleinbesitz des »höheren Standes« war für die Bourgeois in Friedenszeiten, daß sie diese bewaffneten Abteilungen ihrer Bedrücker auch noch bezahlen sollte, von Geld, das sie, wie das deutsche Wort sagt, im Gegensatz zum Adel verdient hatte, das heißt »gemacht«, wie es auf englisch noch prägnanter heißt). Bruchstelle im Klassenkampf um Militärisches ist jedesmal der Moment, in dem der vorgebliche Zweck der Armee, ein Gebiet und dessen Bevölkerung gegen äußere Gefahren, die potentiellen Plünderer und Vergewaltiger von jenseits der Grenze, zu verteidigen, sich an einer Realität messen lassen muß, in der die bewaffneten Verbände ihren eigentlichen Auftrag, die Aufrechterhaltung gegebener Herrschaftsverhältnisse, ernst nehmen müssen und Aufstandsbekämpfung oder Bürgerkrieg realisieren. Glück haben unter den Revolutionären alle, denen es gelingt, diesen Zusammenhang ihren eigenen Verbänden deutlich zu machen, bevor der Bürgerkrieg losbricht; glücklich schätzen also konnte sich Mirabeau, als er, sobald der König im Juni 1789 die Nationalversammlung auflösen wollte, die propagandistisch sehr wirkungsvolle Anklage, man werde nur der Macht der Bajonette weichen, in die Nachrichten und die Archive platzieren konnte. Sobald nämlich der äußere Feind ersetzt werden muß durch das Chaos im Innern, gegen das nur die harte Hand hilft, durch Hungerunruhen und andere soziale Kämpfe, die sich mit dem politischen Aufstand einer um die Staatsmacht ringenden Klasse verbünden können, ist gespalten, was durch Kriegspropaganda sonst hergestellt werden muß, das Staatsvolk eben, und geeint, was man auseinanderdividieren sollte, wenn man an absolutistisch verfaßter Macht festhalten möchte, nämlich der soziale Anspruch der Armen und der politische der aufsteigenden Klasse, eine in gewissen historischen Lagen nahezu unschlagbare Kombination, die von Leuten wie Paine zu Dekolonisations-, von Leuten wie Robespierre zu Demonarchisierungskämpfen mit den bekannten Ergebnissen zusammengeschweißt wurde. Noch die Naivsten sahen, daß das Parlament, das sich der König vom Hals schaffen wollte, kein Quell der Anarchie, sondern potentielles Organ einer besseren Ordnung war; und weil sie es sahen, stand der König auf verlorenem Posten. Als er im Oktober 1789, nach der Verlesung der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, ein zweites Mal versuchte, die repräsentative Demokratie zu unterdrücken, bekam er es mit bewaffneten Marktweibern zu tun, den Mitrailleusen, die Schiller (der von Hyänen spricht, zu denen die Weiber werden, wenn die Revolution losbricht) und noch Dickens (in A Tale of Two Cities ) so beeindruckt haben und jedenfalls ins Bild der Revolution als Anschlag auf Vater Staat, ja Kastration desselben passen (die phallisch-bewaffnete Frau wurde seither Merkzeichen der Linken, ob in Spanien oder Rußland; der tiefere Sinn der Sache liegt natürlich abermals im Bruch mit der Natur, der Alphamännchenordnung des Primatenlebens).
     
    Worum es der Französischen Revolution im bewaffneten wie unbewaffneten Stratum ging, in den rauschhaften wie den debattierenden, den diskutierend parlamentarischen wie den bastillestürmerischen Momenten, war wie erläutert die Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Staat – eine Neubestimmung, die der Absolutismus, ein von oben verordneter Klassenkompromiß zwischen Adel und Bourgeoisie, willentlich und unwillentlich vorbereitet hatte. Nirgends aber ist der Staat mehr bei sich selbst als beim Militär und in der Polizei. Daß im kurzen »Zeitalter der Vernunft«, welches der Revolution unmittelbar vorangegangen war, die militärische Gesittung bereits eine weitreichende Verbürgerlichung erfahren hatte, daß sich in den stehenden Heeren und ihren abgesprochenen Schlachtordnungen bereits die moderne »verwaltete Welt« angekündigt hatte und im puren Zufall, dem nicht erst im Ersten Weltkrieg, sondern schon an der geradeaus konvergierenden Zwei-Heere-Front der einzelne, anonyme Soldat in aufeinander zurückenden Kolonnen ausgesetzt war, weil Geschütze den Nahkampf

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