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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Mai aufs Winterquartier verwiesen waren und dann in geordneten Formationen aufeinandertrafen, die man sich vorher gut überlegt haben mußte, war es doch üblich, in den ersten paar Stunden der Schlacht bereits ein Drittel der Soldaten in den Tod zu entlassen – Verteidigung der Linien zu zwei oder drei Gliedern, die ersten knien vor den zweiten, die nachladen, und schützen sie; der Angriff der Infanterie war ein todesverachtendes Rennen, jede Schlacht nahm sich von Angreiferseite da aus wie die Landung der Alliierten in der Normandie am Ende des Zweiten Weltkriegs. Oft genug kam es also vor, daß jemand die Tapferkeit dahinfahren ließ und in letzter Sekunde ausbrach; Kampfmoral und Disziplin waren, da sich die Heere allesamt auf ungefähr gleichem technischem Niveau bewegten, durchaus kriegsentscheidende strategische Faktoren.
    Nach ein paar Feldzügen unter solchem Reglement pflegten Kriege im blutgetränkten Sand zu verlaufen, sie »fizzled out«, schreibt Duffy schon, »a state of genteel near-efficiency was probably the one best suited to sustain an eighteenth century army over a long haul before the inevitable breakdown« 206 , und selbst die Gegenden, durch die man zog, waren tunlichst, wie man heute sagen würde, ökologisch, das heißt nicht nach dem Prinzip der verbrannten Erde zu behandeln – man müsse, war die Lehrmeinung der Kriegskundigen, die Landbevölkerung und ihr Land schonen, daß dort nicht nur gelebt, sondern auch wieder gesät werden könne, weil man nicht wisse, ob die nächste Schlacht nicht vielleicht in derselben, dann hoffentlich nicht restlos erschöpften Gegend werde geführt werden müssen. 207
     
    Zu den gesellschaftlichen (Offizierskomment wird bürgerlich, weil Armeen bürgerlich werden und die Erbposten schwinden sollen) und den naturgesetzlichen (stehende Armeen unter bekannten klimatischen und Bodenbedingungen) traten indes in dem Zeitalter, das sich mit Hobbes und Rousseau erstmals der Vorstellung vom allgemeinen Sozialzusammenhang als einem Schauplatz des pacta sunt servanda annähert, auch politische Beschränkungen für das Toben des Mars – jedesmal, wenn sich im achtzehnten Jahrhundert ein europäischer Staat auf klarem Hegemonialkurs befindet, bilden sich Allianzen, die diese Übergewichtsgefahr eindämmen sollen. Die erste explizite Erwähnung dieser Art von Stabilitäts- und Containment- Politik findet sich im anglo-spanischen Vertrag von Utrecht vom 13. Juli 1713, in dem der »dauernde Vorteil für alle« beschworen wird; eine Art der Außenpolitik, die verfolgt wurde, bis sich 1914 ein gigantischer Zusammenbruch ereignete, den nicht nur Lenin als Zeichen des Anfangs vom Ende der freien Staatenkonkurrenz (und der Konkurrenz von nationalstaatlich eingerahmten Kapitalien auf dem Weltmarkt) wahrgenommen hat. Die Anti-Hitler-Koalition aus Staaten, die, auf wie verwickelten Wegen immer, ihre Verfassungsideen auf die Aufklärung zurückführen, fand sich nicht zuletzt zusammen, um einen zu besiegen, der die Ereignisse von 1789 nach dem Wort von Goebbels »rückgängig machen«, also annullieren wollte (wie überhaupt alle Spielarten von Gesellschaftsverträgen und die meisten der zwischenstaatlichen Abkommen, die er schloß). Die Idee von Utrecht war damit – und dem Versuch der völkerrechtlichen Faktensetzung in den Nürnberger Prozessen – noch einmal wiederbelebt worden; die Befürchtung, mit dem Ende des Kalten Krieges sei auch sie, wie nach Reemtsmas Wort die Linke, zugrundegegangen, ist angesichts des Spotts über Utrecht, den coalitions of the willing darstellen, die man mit bloßem Auge von den Auxilia-Politiken der antiken Großmächte gar nicht so leicht unterscheiden kann, kaum von der Hand zu weisen. In unserer allerjüngsten Vergangenheit haben wir also Feldzüge erlebt, die ganz so, wie Carl Schmitt das für die Kriege der Zukunft insgesamt befürchtet hatte, als diskriminierende Kriege (und, was die Sache zusätzlich kompliziert macht, in Beantwortung asymmetrischer Kriegsführung nach Schmitts Partisanenmodell) die von vornherein schwächere Kriegspartei als hostis generis humani brandmarken sollten. Am Anfang stand der propagandistische Appell an eine nie genau identifizierte Instanz der Menschenrechtswahrung (das Menschengeschlecht als solches? Irgendeine Werte- oder Staatengemeinschaft? Alle Nichtserbinnen und Nichtserben, alle Nichtmusliminnen und Nichtmuslime?), bei der es sich praktisch um die Massenmedienöffentlichkeit der kriegführenden

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