Der Implex
ersetzten und deren Geschoßstreuung die Tapferkeit zum Aushalten von Wahrscheinlichkeiten verwandelte, zum Markt des Todes, dem das bewaffnete, aber nicht souveräne Subjekt ausgesetzt war wie der Besitzlose dem aufkommenden Arbeitsmarkt, färbt alles Nachfolgende bis heute erwartbarerweise wieder nicht ein (eben, Anfang 2010, lesen wir im Netz Beschämendes und Drolliges über die Schwierigkeiten des Bundesverteidigungsministers mit der Demission eines Schulschiffkapitäns und den atavistischen Abrichtungsritualen und -spielen in der Bundeswehr; wie man Leute ohne Barbarismen, mit denen da jetzt aufgeräumt werden soll, dazu erziehen soll, andere Leute umzubringen und Situationen zu ertragen, in denen ihr Tod nicht unwahrscheinlich ist, fragen Medien, die einen Krieg erst einen Krieg nennen, wenn die Politik das offiziell bestätigt hat).
Die vorauseilende Verbürgerlichung während der Hochaufklärung reichte bis ins Gebaren der Offizierskaste: Die berühmte Anekdote aus der Schlacht von Fontenoy 1745, als ein französischer Oberst einen schwer verwundeten englischen Colonel auf dem Schlachtfeld entdeckte, ihm einen Soldaten als Leibwächter zuteilte und den Inhalt seiner Geldbörse aushändigte, so daß der Gerettete ihm die Hand reichte und ausrief: »An Englishman could not have done more for me!« 203 , setzt eine der Markierungen auf dem Weg von der Ritterlichkeit und Stammesehre feudaler Zeiten zur ins moderne Kriegsrecht importierten Zivilität. Die bürgerliche Epoche, auf deren zivilisatorischem Tiefpunkt man erst die hingeschlachteten Soldatenmassen des Grabenschreckens im Ersten Weltkrieg dann im englischen Oberkommando als »Wastage«, also Fäkalschlamm führte, 204 bald darauf die Vernichtungsorgien des »totalen Krieges« erfand und schließlich Atombomben abwarf, begann mit dem Nachdenken und Diskutieren über eine mögliche Entbarbarisierung des gesamten Kriegswesens.
Bereits Oliver Cromwells epochemachende new model army im siebzehnten Jahrhundert verdankte sich Parlamentsbeschlüssen, welche die Adligen nötigten, sich für einen Posten entweder im Heer oder in der zivilen Staatsverwaltung zu entscheiden; viele wurde die Armee so los, die sich auf diese Weise professionalisierte, mobiler wurde (weil nicht mehr im alten Ausmaß an Garnisonen gebunden) sowie neue Rangordnungsdynamiken und Flexibilitäten erlebte (Verdienst, nicht Blut sollte nun zunehmend über den Dienstgrad entscheiden). Die Demokratisierung war echt, und unterm offenen wie subkutanen Einfluß der radikalen levellers brachten Militärs schließlich sogar eine neue Verfassungsidee für den Gesamtstaat ins politische Gespräch, das » Agreement of the people «: nahezu uneingeschränktes (allerdings den Männern vorbehaltenes) Wahlrecht, religiöse Toleranz unter Gesetzesschutz, Parlamentsreform (Legislaturperioden von zwei Jahren), Ende der Schuldnergefängnisse. Es wurde nichts daraus; aber auch da, wo das Militär nicht zum linken Keil in der Maschinerie der heranbrechenden Moderne wurde, brachte das Vernunftzeitalter Veränderungen, nämlich Regularien und Grenzen ins Kriegshandwerk. Der wichtigste Hinweis darauf, daß diese Entwicklung sich nicht einfach, irgendeinem verborgenen Condorcet-Hegelschen Gesetz folgend, von allein zutrug, sondern gewollt war und herbeidebattiert wurde, ist in der Rolle zu erkennen, welche die Beschwerde über unzivilisiertes Verhalten in der Kriegspropaganda selbst zu spielen begann; so als die Preußen den Russen vorwarfen, daß und wie sie im Siebenjährigen Krieg Pommern und die Neumark verwüstet hatten, was weniger an urrussischer Rassenwildheit als vielmehr daran gelegen haben dürfte, daß der östliche Gegner die neue Verbürgerlichung des Waffenwesens noch nicht mitgemacht und sich auf seine distinkt vorbürgerlichen (ja eigentlich noch nicht einmal recht feudalen, sondern eher tribalistisch vergesellschafteten) Kosaken verlassen hatte. 1762 waren es dann die Preußen, die sich der Kosaken bedienten und sie in Österreich genauso unkontrolliert wüten ließen – »this time the Prussian propagandists remained silent«, wie der Militärhistoriker Duffy mit feiner Ironie anmerkt. 205 Der »remarkable restraint in warfare« (Duffy), der das achtzehnte Jahrhundert besonders verglichen mit dem vorangegangenen und den beiden nachfolgenden kennzeichnete, verdankte sich der an klimatologische und andere natürliche Gesetze gebundenen Deployment-Dynamik der stehenden Heere, die von Oktober bis
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