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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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hervorgebracht wird, ja, daß man es behandeln muß, als wäre es bereits da, um es überhaupt hervorbringen zu können, das meint Grice in seiner Bedeutungstheorie, wenn er von den Sachen, die gesagt werden sollen, sagt, sie seien Implikaturen der Sachen, die gesagt werden, und ganz dasselbe meinen wir in unserer Fortschrittstheorie, wenn wir sagen, der fortgeschrittenere Zustand sei nur als explizierter Implex des weniger weit fortgeschrittenen verwirklichbar (nicht nur: denkbar!, wir wollen ja nicht den Junghegelianismus wiederbeleben, auch nicht nur: sagbar oder: zeigbar, denn der linguistic und der pictorial turn sind unserer Ansicht nach unerfreuliche Reduktionismen der Ideen-, Diskurs- und Mediengeschichte, an denen seltsamerweise all die vielen Stimmen, die sonst bei jeder Gelegenheit den Natur- und anderen Wissenschaften Reduktionismus, Determinismus, Universalismus und weiß der Teufel was für Sünden sonst vorwerfen, bemerkenswert wenig auszusetzen haben).
     
    Was die (in wesentlichen Aspekten gar nicht so fürchterlich alte) philosophische Tradition mit einerseits »synthetisch« und andererseits »analytisch« meint, durchdringt einander, es voneinander sondern zu wollen, ist ein Kategorienfehler der Sorte: Ich sehe die Gebäude, aber wo ist die Stadt?
    Operativ hoffen diejenigen, die diese Unterscheidung gebrauchen, die Philosophie als Verwalterin und Trägerin der analytischen Wahrheiten gegenüber den synthetischen der Einzelwissenschaften empfehlen und ihr gegenüber vor allem dem sozialwissenschaftlichen Bereich etwa der Stellung der Mathematik zu den exakten Naturwissenschaften vergleichbare Stellung sichern. Die Ordnung der solchen akademischen Beschäftigungen überhaupt zugänglichen Dinge ist ja tatsächlich nicht zu sichern ohne ein (wie tentativ und vage auch immer prospektiertes) Klassifikationssystem samt Verzeichnis zulässiger Schlußweisen und am besten noch einen konturenklar herausgeputzten Fundus an Dogmengeschichte, die dann auf einnehmende, aber nicht immer ganz mogelfreie Weise progressistisch gedacht wird: Die Aufzählung vergangener Systeme, Methoden, Stile, Redeweisen der Philosophie ist in diesem Kalkül eine Art Katalog möglicher und eingetretener Denkfehler und Fehlerquellen, analog entsprechenden Verzeichnissen etwa des Aristoteles gegen die Sophisten (oder auch den Polemiken von Marx und Engels gegen Bauer, Stirner, Dühring und wie sie alle heißen), nur bei den Klügsten, zum Beispiel Hegel, wird der Katalog Aufhebungsressource, werden die Irrtümer für etwas Fruchtbares und außerdem Notwendiges erachtet. Das operative Ziel wurde nie wirklich erreicht; es ging denen, die diesen Weg versuchten, dabei nicht besser als jenen, die andere Wege der Autonomieherstellung und -behauptung des Philosophischen wählten, etwa den der versuchten Etablierung der Philosophie als einer strengen Humanwissenschaft eigenen Rechts, etwa derjenigen gewisser Grundformen der Erfahrung und des Denkens überhaupt (einen Weg, den mit auch nur annähernd dem ehrgeizigen Ziel entsprechender Hartnäckigkeit nur Husserl beschritten hat), oder den der Einrichtung der Philosophie als einer allgemeinen Plattform der Kritik an behaupteten ungeklärten, unbefragten, bei anhaltender Unterreflexion sozialen Schaden anrichtenden, etwa zur Zersplitterung der Erfahrung oder zur Seinsvergessenheit verführenden Gemeinsamkeiten der Einzelwissenschaften (darin exzellierte vor allem Heidegger, aber auch einige mit seinem Quasisystem keineswegs über besonders weite Teile propositional deckungsgleiche Existenzphilosophien beispielsweise Sartrescher oder Jaspersscher Prägung, in neuerer Zeit dann alle Anregerinnen und Entwickler der gegenwärtigen science studies, die allerdings das, was sie tun, oft gerade nicht Philosophie nennen wollen).
     
    Der Anspruch, mit den Einzelwissenschaften konkurrieren oder sich von diesen absetzen zu können, indem man über ihnen ein das Wissen und Raten schützendes Gewölbe errichtet, unter ihnen Tunnels gräbt (die sie dann eventuell epistemologisch, ontologisch, diskursanalytisch oder wie immer sonst zum Einsturz bringen könnten und sollen), zehrt wieder von der Befangenheit in hierarchisierenden Mißverständnissen der Arbeitsteilung, der sozialen Inferentialität menschlicher Erfahrungskommunikation (nicht: menschlicher Erfahrung, das wäre Idealismus) und der bedeutungstragenden Implikaturen. Die Arbeitsteilung zwischen denen, die verfassen, was als philosophische

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