Der Implex
Literatur gelten darf, und den Einzelwissenschaften ist in sich eine andere als die zwischen Chemie und Physik oder Biologie und Chemie. Sie gleicht eher der zwischen Physikerinnen (als Personen, die eine Einzelwissenschaft betreiben) und Ingenieurinnen (als Menschen, die Technisches im Sinne unseres fünften Kapitels treiben). Philosophinnen bauen Begriffsmaschinen (mit denen man beispielsweise, aber eben nicht nur, Herrschafts- und andere ungerechte Beziehungen verschleiern kann; geschieht dies, so handelt es sich bei den betreffenden Maschinen nach klassischer marxistischer Terminologie um Ideologien; man kann mit solchen Maschinen aber eben auch aufklären, verwalten, forschen und so fort, oder die Zerstörung der für solche Arten von Praxis und Hexis einmal eingerichteten Apparaturen organisieren, dann sind es Belagerungs- und Eroberungsgeräte; siehe etwa den Einbruch lebensphilosophischer Terminologien in die in Deutschland unternommene Physik zur Zeit der Weimarer Republik, den Paul Forman untersucht hat).
Die neuzeitliche abendländische Philosophie hat, als folgenreichste Vorstellung von der prima philosophia, lange Zeit eine dem Gral, dem perpetuum mobile oder dem Stein der Weisen vergleichbare Idee mit sich herumschleppen müssen, die Leibnizsche lingua characteristica universalis, ein gedachtes logistisches System, das beliebige Sätze, übersetzt man sie erst einmal in jenes, immer und überall auf ihre Wahrheit hin überprüfen kann. Logik und Mathematik sind in diesem Entwurf selber so etwas wie die Physik zur Maschinenbaukunst der Philosophie (ja, es klingt abermals massiv kontraintuitiv: Sind denn logische und mathematische Konstrukte nicht Abstraktionen, können sie Wissenschaftscharakter haben wie die Meßreihen der Physik? Wer so fragt, vergißt, daß auch die Physiker mit Beobachtungen wirtschaften, in die, bevor sie noch gemacht sind, bereits Abstraktion einfließen, und die Ingenieure es mit Schnittstellen und Benutzeroberflächen zu tun haben, deren Handhabung mit der von Begriffen manche Verfahrensnotwendigkeit teilt – so »tief« die Philosophie häufig redet, auch bei ihr geht es um Benutzeroberflächen und deren Funktionalität, begriffliche eben, mit denen man denkt, formuliert, entscheidet und abstimmt, jene words ,mit denen wir, nach Austins berühmtem Diktum, unsere sozialen things machen). Sehr spät erst wurde gezeigt, daß dieses Wunderding, diese lingua characteristica universalis, nicht zu haben ist, man mußte warten, bis Mathematik und Logik so weit waren; den Todesstoß versetzte dem Projekt Kurt Gödel.
Philosophen sind für uns also, in einer erst jetzt und an diesem Punkt im Gedankengang deutlich zu machenden Konsequenz aus Überlegungen im fünften Kapitel dieses Buches, Begriffsingenieure; und wie sich das Ingenieurswesen aus der Physik (und in Abgrenzung von dieser) entwickelte (obwohl man doch, wenn man in Ursprünglichkeitsanschauungen denken würde, glauben müßte, zunächst kommen die Bastler, dann die Theoretiker; aber es ist eben wie bei der guten politischen Gewerkschaftsarbeit, das Allgemeine gehört ins Besondere wie das Besondere ins Allgemeine) – erst kam die Naturphilosophie, aus dieser emanzipierte sich die Naturwissenschaft, aus dieser das Ingenieurswesen, und so nehmen heute viele genuin philosophische Diskurse ihren Ausgang wieder in technischen oder naturwissenschaftlichen Problemstellungen, mit denen man unter Nutzung der vorhandenen Begrifflichkeiten nicht zurechtkommt, so daß begriffliche Rekombination, begriffliches hacking und splicing erfordert sind (und selbst etwas den Naturwissenschaftlern aus nicht ganz schlechten Gründen so Erzsuspektes wie der Poststrukturalismus verdankt sich, als Reaktion auf den Strukturalismus, zwei wissenschaftlichen Disziplinen, nämlich der Linguistik und der Ethnologie). Man kann das alles gruslig finden oder beweinen, man kann es als eine Verlängerung oder ein Destillat der historischen Erfahrung ansehen, daß die Vernunft in der Neuzeit allenthalben in irgendwelche Apparate fährt, wie Geldvermögen umgekehrt sich zu profitschaffendem Kapital, einem »automatischen Subjekt« (Marx) verselbständigt, das alles sind Wertungsfragen – wichtig ist uns an diesem Punkt nur, daß man versteht, inwiefern und warum wir der Ansicht sind, daß es ein großer Trugschluß war, die Philosophie für eine Grundlagendisziplin zu halten – sie ist uns (und nicht nur uns: die Idee vom » conceptual engineering «
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